Digesta 2009

DIE GEMEINSAMEN GRUNDLAGEN DER EUROPÄISCHEN PRIVATRECHTLICHEN KODIFIKATIONEN UND DIE NEUKODIFIKATION DES PRIVATRECHTS IN UNGARN

Gábor Hamza

Universitätsprofessor

Eötvös Loránd Universität Budapest

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I. Allgemeine Übersicht

  1. In den meisten Ländern von Zentral- und Osteuropa vermochten die tiefgreifenden politischen, sozialen und ökonomischen Umwandlungen nach dem Zweiten Weltkrieg die jahrhundertelangen rechtlichen Traditionen, die sich bewährten, nicht vollkommen in den Hintergrund zu drängen. In der Fachliteratur wird nicht in genügendem Maße dem Umstand Rechnung getragen, daß vor allem durch die peregrinatio academia iuristarum die gemeineuropäischen juristischen Traditionen auch in der Rechtsordnung bzw. in der Rechtswissenschaft der zentral- und osteuropäischen Staaten stets - natürlich in unterschiedlichem Maße - präsent waren. Dabei hat vor allem der kontinuierliche Unterricht und Pflege des römischen Rechts eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Diese Behauptung gilt auch für die Länder (wie ζ. Β. Ungarn und Polen), in denen das römische Recht (ius Romanum bzw. ius Romanorum) in formeller Hinsicht - im Gegensatz ζ. Β. zu Deutschland, wo das römische Recht durch die Reichskammergerichtsordnung vom Jahre 1495 subsidiär rezipiert wurde - kein Objekt einer in complexu bzw. in globo Rezeption war.

Zu beachten ist auch der Einfluß des römisch-byzantinischen Rechts (ius Graeco-Romanum), das vor allem in Rußland, Bulgarien, Rumänien (in den zwei Donaufürstentümern, in der Walachei und Moldawien) und Serbien stark wahrnehmbar war. Man kann in dieser Hinsicht von einer Frührezeption des römisch-byzantinischen Rechts sprechen, die keineswegs mit einer Vollrezeption (receptio in complexu bzw. receptio in globo) gleichzustellen ist. Die vor allem durch die orthodoxe Kirche vermittelte „Rezeption“ bzw. Anwendung der römisch-byzantinischen Rechtsquellen bzw. Gesetze (auf Russisch: gradskie zakony) hat in bedeutendem Maße zur Verwissenschaftlichung des Rechts bzw. des Rechtsdenkens in diesen Ländern beigetragen. Die rechtlichen Traditionen des Römisch-Byzantinischen Reiches (Imperium Romanum Orientis) haben sowohl das Privatrecht (ius privatum) als auch das öffentliche Recht (ius publicum) der Staaten auf der Balkanhalbinsel beeinflußt. Dabei ist jedoch nicht außer Acht zu lassen, daß das Rechtssystem des Römisch-Byzantinischen Reiches in den Traditionen des römischen Rechts wurzelte. Die „Symphonie“ (symphonia) von Imperium (basileia) und sacerdotium (hierosyne) war einer der wesentlichen Charakterzüge der Rechtsordnung des Römisch-Byzantinischen Reiches.

  1. Die Gesetzeswerke (vor allem der französische Code civil, das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch, das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch vom Jahre 1863, der italienische Codice civile vom Jahre 1865, das Schweizerische Obligationenrecht vom Jahre 1881 und das Schweizerische Zivilgesetzbuch vom Jahre 1907) haben entscheidend die zivilrechtliche Kodifikation der zentral- und osteuropäischen Länder beeinflußt. Das österreichische ABGB, in der Form des (West-)Galizischen Gesetzbuches (Bürgerliches Gesetzbuch für Westgalizien) vom Jahre 1797, wurde schlechthin auf polnischem Gebiet zwei Jahre nach der im Jahre 1795 erfolgten dritten Teilung Polens, das als jüngstes Kronland an Österreich gefallen war, im Jahre 1797 in Kraft gesetzt. Das Westgalizische bzw. Galizische Gesetzbuch erlangte auch in Ostgalizien und in der Bukowina, die im Jahre 1775 an Österreich angegliedert wurde, noch in demselben Jahre - erst aber einige Monate später - Geltung. Das Galizische Gesetzbuch war das erste moderne vollständige privatrechtliche Gesetzgebungswerk (sieben Jahre vor dem französischen Code civil).

Gleichermaßen verhielt es sich mit dem französischen Code de commerce (1807), dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861), dem deutschen Handelsgesetzbuch (1897) und dem italienischem Codice di commercio (1882). Am Anfang des 19. Jahrhunderts wollte selbst Rußland den Code civil des Français (ab 1807 Code Napoléon) und den französischen Code de commerce als Grundlage seiner geplanten zivil- bzw. handelsrechtlichen Kodifikation einführen. Dies blieb jedoch auch mehrfachen - teilweise politischen - Gründen aus. Indes wurde vom veralteten, im Lauf der Zeit unübersehbar gewordenen einheimischen russischen Recht Abstand genommen. Herausragende Rolle spielte dabei das Gerichtsverfassungsgesetz vom Jahre 1864, das unter anderem verordnete, daß die Berufsrichter ein juristisches Studium nachweisen sollen /Art. 202/.

Der Entwurf des russischen Zivilgesetzbuches vom Jahre 1913 war stark vom deutschem BGB und vom revidierten Schweizerischen Obligationenrecht vom Jahre 1911 sowie vom Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom Jahre 1907 beeinflußt.

In Rußland haben vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges hervorragende, bereits promovierte junge russische Juristen am Kaiserlich-Russischen Seminar für Römisches Recht, das im Oktober 1887 in Berlin errichtet wurde und bis April 1897 existierte, studiert. Unterricht für die Teilnehmer dieses Seminars erteilten vor allem Heinrich Dernburg - der gleichzeitig Direktor des Seminars war -, Ernst Eck und Alfred Pernice. Alle Mitglieder dieses „Triumvirats“ waren auch international anerkannte Romanisten bzw. Pandektisten. Die drei, vielleicht am meisten bekannten Teilnehmer dieses Seminars waren Leon v. Petrazycki, Paul v. Sokolowski und Wilhelm v. Seeler. Die Pandektenlehre bzw. die deutsche Zivilrechtslehre hat auch auf diese Weise das zivilistische Denken in Rußland jahrzehntelang maßgeblich beeinflußt.

Diese Einflußnahme schlug sich unter anderem im russischen Zivilgesetzbuch sozialistischer Prägung vom Jahre 1922 - bei dessen Redaktion der Spezialist des Familienrechts, Alexej Grigorievic Gojkhbarg (1883-1962) die maßgebliche Rolle spielte - nieder. Auf diese Tradition läßt sich vor allem der Umstand zurückführen, daß sogar heute sowohl in Rußland als auch in den meisten Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion die Zivilrechtsgesetzgebung stark vom deutschen zivilrechtlichen Denken geprägt ist.

Selbst in Ungarn, wo erst im Jahre 1959 das Zivilgesetzbuch sozialistischer bzw. ideologischer Prägung verabschiedet wurde - das Zivilgesetzbuch wurde am 1. Mai 1960 in Kraft gesetzt und stellte das erste Zivilgesetzbuch in Ungarn dar -, haben die westeuropäschen Gesetzbücher großen Einfluß auf die Zivilgesetzbuchentwürfe ausgeübt, wobei das revidierte schweizerische Obligationenrecht -im Falle des ungarischen Zivilgesetzbuchentwurfes vom Jahre 1928 (Magánjogi Törvénykönyvjavaslat, abgekürzt: Mtj) ~ besonders große Rolle spielte.

Das rumänische Zivilgesetzbuch vom Dezember 1864 war aufgrund des französischen Code civil bzw. des Entwurfes des italienischen Codice civile vom Jahre 1865 (Progetto di Giuseppe Pisanelli) konzipiert. Das rumänische Handelsgesetzbuch vom Jahre 1887 folgte im wesentlichen dem italianischen Codice di commercio vom Jahre 1882, der damals als das modernste europäische Handelsgesetzbuch galt.

  1. Mit dem Fortleben bzw. Fortwirken der westeuropäischen rechtlichen Traditionen erklärt sich die relativ leichte Rückkehr zu den gemeineuropäischen juristischen Traditionen in der Mehrheit der zentral- und osteuropäischen Länder. In letzter Zeit kann man im wesentlichen zwei Haupttendenzen wahrnehmen: Einerseits hält man an Gesetzen, die nach der kommunistischen („sozialistischen“) Periode formell oder stillschweigend außer Kraft gesetzt wurden, fest. Gutes Beispiel hierfür ist Polen, wo man das Gesetz über die Schuldverhältnisse vom Jahre 1933 und das Handelsgesetzbuch vom Jahre 1934 wieder, wenigstens teilweise, mit Änderungen - wobei das Zivilgesetzbuch vom Jahre 1964 größtenteils in Kraft blieb - in Kraft gesetzt hat.

Ein weiteres Beispiel stellt Lettland dar, wo nach der Erlangung der Unabhängigkeit des Landes im Jahre 1991, das im Jahre 1937 verkündete und im Jahre 1938 in Kraft gesetzte Zivilgesetzbuch - unter der Regierung des Staats- und Ministerpräsidenten Dr. Karl Ulmanis -, das Zivilgesetzbuch sozialistischer Prägung vom Jahre 1963 ersetzt hat. Erwähnung verdient auch Rumänien, wo man das Zivilgesetzbuch vom Jahre 1864, das übrigens nicht einmal in der kommunistischen Periode formell abgeschafft hat, mit vielen Abänderungen ihre Geltung behält. Andererseits tragen die ab Anfang der 90-er Jahre verabschiedeten Gesetze - mit Rücksicht darauf, daß die meisten Länder dieser Region der Europäischen Union beitreten möchten - dem in vielen Bereichen noch in Entstehungsphase befindlichen EG-Recht (Gemeinschaftsrecht) Rechnung.

  1. Generell läßt sich feststellen, daß der Gesetzgeber der zentral- und osteuropäischen Staaten von den Gesetzen und Verordnungen, die in der totalitären Periode verabschiedet wurden, eindeutig Abstand nimmt. Eine Tendenz der Rückkehr zu den vor der politischen Wende nach dem Zweiten Weltkrieg existierenden rechtlichen Traditionen läßt sich in einigen Ländern beobachten. Diese Tendenz kommt auf der Ebene der Kodifikation bzw. Revision sowohl des Zivilrechtes als auch des Handelsrechts zum Vorschein. Es soll immerhin darauf verwiesen werden, daß man auch in diesen Staaten die Entwicklungen bzw. neue Entwicklungstendenzen auf den verschiedenen Gebieten der Rechtsordnung der westeuropäischen Länder berücksichtigt.
  2. Angleichung des Privatrechts in Europa und die römischrechtliche Tradition
  3. Durch den Beschluß des EG-Parlaments vom 26. Mai 1989 (AB1.EG C 158/400) wurden die Mitgliedstaaten aufgefordert, ihre Privatrechtsordnungen (Zivil- und Handelsrecht) miteinander in Einklang zu bringen[1]. Die EG hat hierauf eine Kommission eingesetzt, die diesbezüglich Vorschläge ausarbeiten sollte[2]. Im Beschluß des EU-Parlaments vom 6. Mai 1994 (AB1.EG C 205/518) wurden die Mitgliedstaaten erneut ermahnt[3], bestimmte Bereiche des Privatrechts zur Förderung des Binnenmarkts zu vereinheitlichen[4]. Über diese Frage ist in der Sitzung des Europäischen Rats im Jahre 1999 in Tampere wieder beraten worden. Punkt 39 der Erklärung von Tampere weist die Kommission auf die Notwendigkeit der Privatrechtsharmonisierung unter den Mitgliedstaaten hin[5]. Am 15. November 2001 wurde erneut ein Beschluß (ABl.EG C 2001 255/1) im Europäischen Parlament über die Empfehlung zur Angleichung des Zivil- und Handelsrechts der Mitgliedstaaten verabschiedet[6].

Bereits im Jahre 1980 wurde die von Professor Ole Lando geleitete Commission on European Contract Law einberufen, die die allgemeinen Grundsätze des europäischen Vertragsrechts ausarbeiten sollte[7]. Im Zusammenhang mit der Tätigkeit dieser Kommission soll die Tendenz der „Kommerzialisierung des Privatrechts“ (auf Französisch: commercialisation du droit civil, auf Italienisch: commercializzazione del diritto private, auf Spanisch: mercantilización del derecho privado oder comercialización del derecho civil) erwähnt werden[8].

Im Oktober 1990 wurde in Pavia die internationale Académie des Privatistes Européens (auf Italienisch: Accademia dei Giusprivatisti Europei) gegründet, deren Hauptziel erklärtermaßen die Schaffung eines einheitlichen europäischen Kodex des Vertragsrechts ist. Der erste Präsident der Akademie war der namhafte italienische Zivilrechtler Alberto Trabucchi (1907-1998), Professor in Padua. Sein Nachfolger wurde der ebenfalls bekannte Zivilist José Luis de los Mozos (1924-2008), Professor in Valladolid. Dessen Nachfolger wiederum wurde Professor Peter Stein, der vorher Vizepräsident der Académie des Privatistes Européens war.

Zahlreiche Mitglieder dieser Akademie waren bzw. sind Römischrechtler: Peter Stein, Regius Professor (emeritus) of Civil Law in Cambridge, bis 2008 Vizepräsident der Akademie, Fritz Sturm, Professor emeritus in Lausanne; der Münchener Professor Dieter Medicus und die inzwischen verstorbenen Professoren Theo Mayer-Maly von Salzburg und Roger Vigneron von Liège. Bei der Gründung der Akademie spielte Giuseppe Gandolfi, Professor in Pavia, eine entscheidende Rolle, dessen Œuvre bekanntlich auch im Bereich des römischen Rechts bedeutend ist[9]. Im Rahmen der Akademie wirkt auch die Groupe d’étude pour le droit européen commun (GEDEC), die an einer Kodifizierung des europäischen Vertragsrechts arbeitet (Code Européen des Contrats)[10]. Grundlage für diesen Kodex-Entwurf bildet in erster Linie das Vierte Buch (Libro Quarto) des italienischen Codice civile über das Schuldrecht. Außerdem diente der Contract Code[11], der von der vom Oxforder Professor Harvey McGregor geleiteten English Law Commission in den 1960-er und 1970-er Jahren ausgearbeitet worden war, als Modell[12]. Der Contract Code sollte das englische Common law mit dem schottischen (im kontinentaleuropäischen Recht wurzelnden) Civil Law[13] im Bereich des Vertragsrechts miteinander in Einklang bringen[14].

Gleichwohl gibt es auch Gegner dieser Harmonisierungsbewegung. So hat sich z.B. der Heidelberger Professor Peter Ulmer stets skeptisch gegenüber der Privatrechtsvereinheitlichung innerhalb der EU-Mitgliedstaaten geäußert[15]. Eine ähnliche Ansicht vertrat auch der im Jahre 2003 verstorbene namhafte Zivilrechtler und Rechtssoziologe Jean Carbonnier, der nicht nur die Dringlichkeit, sondern auch überhaupt die Notwendigkeit der Rechtsvereinheitlichung auf diesem Gebiet angezweifelt hat. Es scheint fast so, als ob sich der zwischen Anton Friedrich Justus Thibaut und Friedrich Carl von Savigny Mitte der 1810er Jahre stattgefundene Streit um die Notwendigkeit der Kodifikation wiederholen würde - freilich unter veränderten Verhältnissen[16].

Obwohl sich bislang keineswegs ein einheitlicher Standpunkt durchsetzen konnte[17], besteht dennoch kein Zweifel daran, daß die Rechtsvereinheitlichung langfristig gesehen in irgendeiner Form vollzogen werden muß[18]. Es gibt Versuche, ein Europäisches Zivilgesetzbuch (Code civil européen) vorzubereiten bzw. zu redigieren[19]. Die europaweite Rechtsvereinheitlichung[20] kann auf verschiedenen Wegen geschehen: einerseits mittels Verordnung bzw. Richtlinie, andererseits aber auch durch koordinierte nationale Gesetzgebung[21]. Auf die Schwierigkeit des Vereinheitlichungsprozesses deutet z.B. der Umstand hin, daß es im Jahre 1970 in England und Schottland[22] nicht gelungen ist, den einheitlichen Contract Code zu verabschieden[23].

Die Rechtsvereinheitlichung schreitet innerhalb der Europäischen Union in erster Linie im Bereich des Vertragsrechts voran[24].

Es soll auch darauf verwiesen werden, daß es bereits in der Zwischenkriegszeit, d.h. nach dem Ersten Weltkrieg, Bestrebungen gab, auf Kodifikationsebene das Schuldrecht von einigen Ländern zu vereinheitlichen. Der Projet de Code franco-italien des Obligations et des Contrats (auf Italienisch: Progetto italo-francese di Codice delle Obbligazioni e dei Contratti) vom Jahre 1927 sollte die Grundlage eines Gesetzes bzw. Gesetzbuches für Schuldverhältnisse (Obligationen und Verträge) für Frankreich und Italien bilden[25].

Das römische Recht bzw. die römischrechtliche Tradition, Fundament der meisten Privatrechtsordnungen in Europa, kann auch für diesen langen Entwicklungsprozeß zweifelsohne als Grundlage dienen[26]. In dieser Hinsicht ist hierbei an die Grundprinzipien des römischen Rechts, etwa an die Vertragsfreiheit, zu denken[27].

Es ist immerhin festzustellen, daß die Vertragsfreiheit - d.h. die Freiheit, einen Vertrag überhaupt abschließen zu können (Abschlußfreiheit), die Freiheit, den Partner auszuwählen (Partnerfreiheit) und die Freiheit, den Inhalt des Vertrages zu bestimmen (Inhaltsfreiheit)[28] - auf einigen Gebieten, wie etwa im Verbraucherschutz (consumer protection, protection du consommateur), nur stark eingeschränkte Geltung haben und dadurch relativiert werden[29]. Das in die nationale Rechtsordnung übernommene (umgesetzte) europäische Gemeinschaftsrecht (acquis communautaire)[30] neigt nämlich tendenziell - im Interesse des schwächeren Vertragspartners, nämlich des Verbrauchers - zur Einschränkung der Willensfreiheit der vertragsschließenden Parteien.

Das römische Recht kann unserer Ansicht nach auch für eine einheitliche privatrechtliche Rechtsanwendung bzw. für deren schrittweise Ausgestaltung dienlich sein[31]. Zu Zeiten des ius commune wurde bekanntermaßen europaweit ein einheitlicher „rechtlicher Arbeitsstil“, der stilus curiae, angewandt. Dies wurde unter Vermittlung des römischen Rechts bewirkt, das einst die lingua franca der Juristen war. Der einheitliche stilus curiae endete mit der „Nationalisierung“ der Rechtsordnungen (ius patrium). Die erfreulicherweise wieder internationalere Züge annehmende Juristenausbildung, deren wichtiger Bestandteil das römische Recht ist bzw. sein könnte oder sollte, kann langfristig gesehen zur erneuten Vereinheitlichung des stilus curiae führen[32].

  1. Das römische Recht hatte für die Gesellschaft im Mittelalter eine herausragende Bedeutung, und zwar sowohl für den weltlichen als auch für den geistlichen Lebensbereich. Es bildete im 16. Jahrhundert die Grundlage sowohl für den juristischen Humanismus als auch für die rationellen Naturrechtslehren. Durch den Geist des wissenschaftlichen Positivismus umgewandelt, blieb das römische Recht in der Pandektenwissenschaft bzw. Pandektistik im 19. Jahrhundert erhalten und konnte auf diese Weise eine hohe Stellung bei den neuzeitlichen privatrechtlichen Kodifikationen erringen.

Es wäre wahrheitswidrig, die „vormoderne“ Geschichte Europas als irrelevant für die Gegenwart abzuschneiden, um sich ausschließlich auf die Epoche der Verfassungen, des Rechts- und Sozialstaats sowie der Demokratie, auf die Zeit nach der Französischen Revolution zu stützen. Die Rechtstraditionen sind viel älter. Den Dualismus von lokalem oder ständischem Sonderrecht (ius particulare) und einem übergreifenden allgemeinen Recht gab es schon im Römischen Reich (Imperium Romanum), und er setzte sich seit dem 12. Jahrhundert in Europa fort. Von Spanien bis Polen und Ungarn, von Sizilien bis Skandinavien (wenn auch im geringerem Maße) setzte sich das römische Recht durch - nur England und Irland waren Sonderfälle. Aus der gemeinsamen Anstrengung der Gelehrten bei der Kommentierung der römischrechtlichen Texte erwuchs die europäische Wissenschaft vom weltlichen Recht (ius saeculare). Parallel hierzu entwickelte die römische Weltkirche die ebenso umfassende Rechtsmasse des Kirchenrechts. Sie durchdrang durch den Alltag auch das weltliche Recht (auch das englische!) und bildete eine zweite starke Klammer für das „lateinische Europa“. Tragendes soziales Element war ein ständisch nicht mehr genau lokalisierbarer Juristenstand, eine universell einsetzbare Fachelite, die an allen europäischen Universitäten studierte.

Diese Juristen haben aus den Prinzipien bzw. Rechtssätzen des römischen Rechts, aus der „Politik“ (Politika) des Aristoteles und aus den jeweiligen Landesgesetzen die Grundfiguren und Konstruktionen des Rechts entwickelt. Sie haben in der Diskussion um die beste Verfassung die Staatsformen- oder Staatstypenlehre entwickelt, haben den Staatszweck zur Legitimation und zur Begrenzung der Herrschaft eingesetzt, und sie haben das Konzept der Souveränität geschaffen, mit dessen Hilfe sich der moderne Staat mit seinem „Gewaltmonopol“ über die partikularen Gewalten des Mittelalters und die streitenden Religionsparteien erhob. Sie begründeten das Gesetzgebungsrecht des Herrschers einerseits, die Mitwirkungsrechte der Stände andererseits. Sie unterschieden verschiedene Staatsfunktionen und gelangten zur Theorie der (vertikalen) Gewaltenteilung.

Die Richtung der „antiken Rechtsgeschichte“ ignoriert beinahe vollständig das Fortleben des römischen Rechts im rechtlichen und politischen Bereich. Diese von Leopold Wenger gegründete Strömung läßt den Umstand außer Acht, daß das römische Recht schon seit Jahrhunderten das Recht, in erster Linie das Privatrecht in Europa und die europäische Rechtswissenschaft entscheidend beeinflußt. Es wird hierbei das Potential des zu Recht als ius commune (privatum) Europaeum angesehenen römischen Rechts übersehen, durch eine interpretatio multiplex das europäische Recht und die Rechtswissenschaft zu deuten und weiterzubilden.

Eine ähnliche Schlußfolgerung wird aus der Ansicht gezogen, daß eine Rechtsvergleichung ausschließlich zwischen wirtschaftlich und sozial ähnliche Züge aufweisenden Staaten möglich sei. Der Vorzug dieser Anschauungsweise besteht in ihrer synoptischen Betrachtungsweise. Andererseits wird hierdurch die Rechtsvergleichung dermaßen eng ausgerichtet, daß dies fast schon die Grenzen der Rationalität erreichen würde. Diese Frustration zeigt sich deutlich im Œuvre von Ernst Schönbauer, der die Möglichkeiten der Rechtsvergleichung ebenfalls auf ähnlich geartete oder ethnisch verwandte Nationen beschränkt[33]. In vielerlei Hinsicht knüpft sich hieran auch die Ansicht, wonach die Institute des römischen Rechts nicht mit den Instituten der modernen Rechtsordnungen verglichen werden können, da es sich im alten Rom um eine Sklavenhaltergesellschaft gehandelt hat. Gleichwohl ist zu sagen, daß die Vertreter dieser Ansicht der Kontinuität des Rechts zuwenig Beachtung schenken.

Es ist einleuchtend, daß die Ansicht, nach der einzelne Strukturen und Konstruktionen des Rechts beizeiten wiederkehren, zutreffend ist. Theo Mayer-Maly nannte dieses Phänomen „Wiederkehr von Rechtsfiguren“. Diese Ansicht leugnet aber keineswegs die Existenz von Rechtsfiguren, die ausschließlich in einer bestimmten Gesellschaftsform bestehen können (z.B. das Vasallensystem). Die Daseinsberechtigung des römischen Rechts als ratio scripta bleibt also unangefochten. Selbstverständlich ist es ein Zeichen der déformation professionelle, wenn Juristen die Tatsache überbewerten, daß ein Rechtsgeschäft[34] unter Zuhilfenahme von stets denselben juristischen Konstruktionen und zeitunabhängig geregelt werden kann. Im Grunde aber ändert dies nichts an der Tatsache, daß die Gesetzgebung und Rechtspraxis der letzten Jahrzehnte nicht selten zu den bewährten Konstruktionen und Instituten des römischen Rechts zurückgekehrt ist.

Gleichwohl darf das Wissen um das Fortleben der rechtlichen Traditionen nicht davon abhalten, die inhaltlichen Abweichungen und die zeitlich bedingten Unterschiede zu erforschen. Dies bezieht sich etwa auf das Kartell- und Wettbewerbsrecht: Das mit zahlreichen Elementen des ius publicum durchtränkte „römische Kartell- und Wettbewerbsrecht“ unterscheidet sich zwar offensichtlich immens vom modernen Kartellrecht, aber die dahinterstehenden wirtschaftlich-sozialen Bedingungen fallen in bestimmten Punkten zusammen.

  1. Der im engen Zusammenhang mit dem römischen Recht stehende Begriff der Rezeption bedeutet nach richtiger Interpretation nicht eine Art von „Kultur-Okkupation“, sondern viel eher -jedenfalls in Deutschland (Heiliges Römisches Reich, Sacrum Romanum Imperium) - die „Verwissenschaftlichung“ des Rechts (Franz Wieacker). Die Rezeption kann unmittelbar weder an die im Jahre 1495 verabschiedete Reichskammergerichtsordnung noch an die legendenhaft übermittelte Verordnung von Kaiser Lothar III. geknüpft werden. Die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland bedeutet vielmehr eine auf der Grundlage des römischen Rechts bestehende geistige Tradition, die eher nur im beschränkten Maße an das positive Recht (ius positivum) gebunden ist. Die in diesem (weiten) Sinne verstandene Rezeption hatte bereits Jahrhunderte früher begonnen, und zwar unter Vermittlung der an den norditalienischen Universitäten (studia generalia) studierenden Juristen aus deutschen Territorien.

Die auch auf das positive Recht bezogene Rezeption (d.h. die allmähliche, subsidiäre Anwendung des römischen Rechts) zeigt sich sehr früh, vom 11. Jahrhundert an. Im 13. Jahrhundert sind die römischrechtlichen Elemente auch in der Rechtsprechung der - nicht selten auch in privatrechtlichen Angelegenheiten verfahrenden - geistlichen Gerichten vorzufinden. Nach unserer Ansicht zeigt sich der Einfluß der Kommentatoren auf diesem Gebiet, während das auch als „Rechtsliteratur“ bezeichnete römische Recht bereits mithilfe der Glossatoren in Deutschland aufgenommen wird. Die Zweiteilung der Wirkung des römischen Rechts bedeutet selbstverständlich keine Schmälerung der Bedeutung der Kommentatoren; dem Konzept Savignys, das die Kommentaroren (lediglich) als „Postglossatoren“ ansieht, soll nicht gefolgt werden. Gleichwohl hat sich die Rezeption nicht auf die Materie des römischen Rechts beschränkt, sondern erstreckte sich auch auf das kanonische Recht und das langobardische (lombardische) Feudalrecht (ius feudale). Hieraus entstand der Begriff ius commune („gemeines Recht“), die gleichermaßen auf privates und öffentliches Recht bezogene, dem Landesrecht gegenüberstehende und mit ihm konkurrierende Rechtsmaterie. Die Harmonie zwischen diesem „Mischrecht“ (ius mixtum) und den lokalen Partikularrechten (mit anderen Worten die „Angleichung“ des ius commune auf das lokale Recht) wird von den sog. „Praktikern“ hergestellt.

Die Bereitschaft zur Rezeption des römischen Rechts unterscheidet sich - unter Berücksichtigung der objektiven Gegebenheiten - in starkem Maße innerhalb der einzelnen europäischen Staaten. Entscheidend sind hierbei das Niveau der Rechtspraxis, die wirtschaftlichen Verhältnisse und das politische System des jeweiligen Landes bzw. der Region. Auf der iberischen Halbinsel zum Beispiel entwickelten sich im 13. Jahrhundert die Verhältnisse derart, daß das römische Recht von dem Gesetzeswerk Siete Partidas des Königs Alfons X. (dem Weisen) rezipiert werden konnte. In der Schweiz dagegen konnte es in erster Linie aufgrund der landesspezifischen Verhältnisse nicht zur vollständigen Rezeption des römischen Rechts (receptio in globo bzw. receptio in complexu) kommen.

Zwischen dem römischen Recht und dem „Kaiserrecht“ (ius caesareum) besteht eine enge Verbindung. Das römische Recht dient als Grundlage für den Gedanken bzw. die Ideologie der renovatio imperii, die zur Zeit der Hohenstaufer außerordentlich bedeutend war. Das römische Recht, genauer gesagt das ius publicum Romanum, war ein nicht zu unterschätzendes Mittel zur juristischen Legitimation des „Weltkaisertums“.

Obwohl die Richtung der Praktiker einerseits zu sehr auf die deutsche Praxis gerichtet ist - was zur Abwendung von den eigentlichen römischrechtlichen Quellen führt -, andererseits die kasuistische Betrachtungsweise charakteristisch ist, kann man dennoch bei den deutschen Kameralisten zum ersten Male von einer Art „Pandektenwissenschaft“ sprechen (die aber nicht mit der Pandektenwissenschaft bzw. Pandektistik des 19. Jahrhunderts verwechselt werden darf). Diese Richtung war aber - in erster Linie wegen der erstarkenden partikularrechtlichen Betrachtungsweise - nicht entwicklungsfähig. Allein das im 17. Jahrhundert entstehende Naturrecht wäre dazu geeignet gewesen, den Usus modernus pandectarum der Praktiker weiterzuentwickeln. Hier soll erwähnt werden, daß die Kameralistik in Titel und Inhalt am besten in dem Werk Usus modernus pandectarum von Samuel Stryk vom Anfang des 18. Jahrhundert repräsentiert wird.

Es ist zu betonen, daß das römische Recht auch maßgeblich zur Entwicklung des Naturrechts beigetragen hat. Die von Max Weber treffend als „Entzauberung der Welt” bezeichnete Entwicklung des nicht antiken, sondern „modernen“ Naturrechts kann nicht ohne die römischrechtliche Konzeption des ius naturale interpretiert werden[35]. Das Bestreben der römischen Rechtsgelehrten (iurisconsulti bzw. iurisperiti), das ius civile vom ius naturale abzuleiten, ist auch bei den Naturrechtlern des 16. und 17. Jahrhunderts vorzufinden. Die Wirkung des römischen Rechts ist auch in der scholastischchristlichen Lehre vorzufinden. Der der rationellen Naturrechtsanschauung angehörige Hugo Grotius sieht die auctoritas des römischen Rechts im Zusammenhang mit dem imperium rationis des ius Romanum. Das römische Recht spielt eine bedeutende Rolle bei dem ebenfalls als Anhänger der säkularisierten naturrechtlichen Richtung geltenden Samuel Pufendorf, dem Verfasser des grundlegendes Werkes De iure naturae et gentium aus dem Jahre 1672. Allerdings kommt es nicht zur Verschmelzung der Pandektenwissenschaft und des Naturrechts: dies ist einerseits auf die öffentlichrechtliche Betrachtungsweise des Naturrechts, andererseits auf das philosophische - also nicht juristische - Interesse der Anhänger der Naturrechtswissenschaft (wie z.B bei dem eher moralphilosophisch interessierten Christian Wolff) zurückzuführen.

  1. Der grundsätzliche Unterschied zwischen dem Usus modernus pandectarum und dem Naturrecht konnte nur im wissenschaftlichen Œuvre der Pandektistik (die sich aus der Historischen Rechtsschule herausgebildet hat) aufgelöst werden. Für die Pandektisten, die die „Philosophie des positiven Rechts“ (Franz Wieacker) erschaffen wollten, sind die geschichtliche Betrachtungsweise, die Rückbesinnung auf die justinianischen Quellen, der Anspruch auf Systematisierung, der Drang zur Ausarbeitung der Rechtstheorie und letztendlich - als „Hoffnung“ aus all diesem - die Beseitigung des Partikularismus kennzeichnend. Das Pandektenrecht des 19. Jahrhunderts, das „heutige römische Recht“, ist daher scharf zu trennen vom Usus modernus pandectarum, bei dem die partikularrechtlichen Elemente dominieren.

Das Pandektenrecht des 19. Jahrhunderts, das nach dem im Jahre 1838 in Leipzig herausgegebenen Werk „Lehrbuch der Pandekten“ von Georg Friedrich Puchta auch „Pandekten“ genannt wird[36], ist nach der Definition des deutschen Rechtsgelehrten die Theorie des auf dem römischen Recht beruhenden deutschen Privatrechts, dessen Funktion und Bedeutung in der Entstehung und Weiterentwicklung der Grundlagen des Privatrechtssystems liegt.

Auch trotz ihrer Entstehung in Deutschland sollte man nicht ausschließlich von einer deutschen Pandektistik bzw. Pandektenwissenschaft sprechen, da diese Richtung nicht nur die „Doktrin des gemeinen Rechts“ (Paul Koschaker) bedeutet, sondern auch von Beginn an über Deutschland hinaus, in Europa im allgemeinen und sogar in vielen Ländern außerhalb Europas, eine bedeutende Wirkung entfaltete.

Hierbei ist in erster Linie an die Wirkung der Pandektistik in England zu denken. John Austin, der die Rechtsphilosophie Jeremy Benthams übernommen hatte, folgte in der Analyse der juristischen Begriffe der deutschen Pandektistik. Bezeichnenderweise betrachtete er das Werk Das Recht des Besitzes Savignys als Meisterwerk und hielt dies für das vollkommendste aller juristischen Werke[37]. Auch Anton Friedrich Justus Thibauts zweibändiges System des Pandekten-Rechts (zum ersten Male herausgegeben im Jahre 1803) hatte bedeutenden Einfluß auf John Austin. Dieses Werk, das zwischen 1803 und 1834 acht Auflagen erlebte, hatte auch sonst großen Einfluß auf die Entwicklung der englischen Rechtswissenschaft. Das im Jahre 1845 publizierte Werk Nathaniel Lindleys An Introduction to the Study of Jurisprudence ist die Übersetzung des allgemeinen Teils von Thibauts Werk[38]. Auch im 1861 erschienenen Ancient Law. Its Connection with theEarly History of Society and Its Relation to Modern Ideas von Sir Henry Sumner Maine ist die Wirkung der Pandektenwissenschaft bzw. Pandektistik deutlich erkennbar[39]. Es soll auch erwähnt werden, daß in der Literatur die Ähnlichkeiten (similitudines) auch zwischen dem deutschen und französischen Privatrecht betont werden[40].

  1. Die Mitglieder der Akademie zu Pavia, unter denen sich gleichermaßen ausgewiesene Experten des römischen Rechts, des Common law und des modernen kodifizierten Privatrechts befinden, sehen es als ihre Aufgabe an, im Zuge der Kodifikation eines einheitlichen europäischen Vertragsrechts einen Kompromiß zwischen dem - auf dem römischen Recht basierenden -kontinentalen Recht und dem Common law zu finden[41].

Tatsache ist, daß viele Rechtsinstitute und Konstruktionen des römischen Rechts und des englischen Common law Ähnlichkeiten aufweisen[42]. Gleichwohl bestehen in der Betrachtungsweise des römischen und des englischen Rechts zweifelsohne gravierende Unterschiede. Ein Wesensmerkmal des römischen Rechts ist es, daß es ein Gelehrtenrecht, ein diritto giurisprudenziale[43] ist, welches im allgemeinen nicht auf früheren Gerichtsentscheidungen (sententiae) basiert. Die Auslegung des Begriffs „Gelehrtenrecht“ ist aber abhängig davon, von welcher wissenschaftlichen Richtung dies gedeutet wird. Nach Friedrich Carl von Savigny ist das entscheidende Kriterium des Juristenrechts die Systematisierung, genauer gesagt die Bestrebung danach. Diese Betrachtungsweise kommt im besonderen Maße in seinem Werk System des heutigen römischen Rechts zum Ausdruck. Rudolf von Jhering, ein erklärter Gegner des Rechtspositivismus, betrachtet diese Problematik von einem gänzlich anderen Blickwinkel her. Vor allem in seinem Werk Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung hat das als Gelehrtenrecht (droit savant, learned law, diritto dotto, derecho docto, direito docto, geleerd recht, geleerd reg usw.) angesehene römische Recht in methodologischer und ideologischer Hinsicht Relevanz.

Die Charakterisierung des ius Romanum als Gelehrtenrecht wird auch von Paul Koschaker in seinem Werk Europa und das römische Recht betont. Koschaker sieht im römischen Recht ein wirksames Gegenideal zu dem in „absolute Höhe gehobenen“ Rechtspositivismus. Koschaker stellt das römische Recht in diesem Sinne dem Common law gegenüber. Das englische Recht ist nämlich eindeutig judge made law, ganz im Gegensatz zum römischen Recht. Das ius Romanum kann in keiner Phase seiner Entwicklung als Fallrecht (case law) angesehen werden. Hierauf verweisen in der Rechtsliteratur des 20. Jahrhunderts - um nur einige Autoren zu nennen - Buckland, McNair, Schiller, Dawson, van Caenegem, Pringsheim und Peter.

  1. Daß das römische Recht ein Gelehrtenrecht ist, ist in jeder seiner Entwicklungsphase erkennbar[44]. Die Ursache dafür ist nicht zuletzt der Umstand, daß es zweifelsohne eine Kontinuität zwischen dem „Pontifikalrecht“ bzw. der „Pontifikalrechtswissenschaft“ und der laizistischen Rechtswissenschaft gibt. Wenn man den Wesenszug des Richterrechts beim Common law untersucht, muß auf die speziellen historischen und ideologischen Besonderheiten dieses Rechts hingewiesen werden. Im Zusammenhang mit der stare decisis-Doktrin kann auf einige Besonderheiten des englischen ius consuetudinarium hingewiesen werden. Besondere Bedeutung verdient, daß im englischen Recht (siehe z.B. leg. Henr. IX. 9.) die Auslegung der Gesetze auf außerordentlich flexibele Weise vonstatten geht[45]. Der Richter ist viel weniger an den Wortlaut der Gesetze gebunden als an die früheren Gerichtsentscheidungen. Obwohl auch bei Ranulf de Glanvill bereits Anzeichen für diese Betrachtungsweise vorzufinden sind, ist Bracton, Verfasser des Werkes De legibus et consuetudinibus Angliae, der erste, der den obligatorischen Charakter der cases auch theoretisch untermauert. Besonders zeigt sich dies in der Wendung: „...Si tarnen similia evenerint, per simile iudicentur, dum bona est occasio a similibus procedere ac similia“ (De leg. f. 1 b).

Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem römischen und dem englischen Recht ist die ars distinguendi. Dies ist die in den responsa der römischen Rechtsgelehrten zum Ausdruck kommende Kunst, klar das Wesentliche, rechtlich Relevante vom Unwesentlichen, rechtlich Irrelevanten zu trennen. In der ars distinguendi zeigt sich das hohe Abstraktionsvermögen der römischen iurisperiti (iurisconsulti), welches die communis opinio bis jetzt dem römischen Recht nicht zuerkannt hat: So spricht etwa auch Fritz Schulz merkwürdigerweise von der Abneigung der Römer vor jeglicher Abstraktion.

In den einzelnen responsa werden in Wirklichkeit in erster Linie die rechtlich bedeutenden Werte herausgekehrt, während in den Entscheidungen der englischen Gerichte vor allem auf die faktischen Elemente der Rechtsfälle (cases) Wert gelegt wird. Dies wird auch dadurch bekräftigt, daß im englischen Recht als case law in der Beurteilung eines Rechtsfalles wenn möglich auf eine frühere Entscheidung (Präzedenzfall) zurückgegriffen wird (law of precedents). In den Urteilen der englischen Gerichte, und zwar vor allem in der früheren Entwicklungsperiode des englischen Rechts, vermischen sich die (bindende) ratio decidendi und die (nicht bindenden) obiter dicta im allgemeinen miteinander. Bei den im letzten Jahrhundert der präklassischen Periode (d.h. im ersten vorchristlichen Jahrhundert) wirkenden Juristen in Rom bedeutet die ars abstrahendi die wahre Grenzlinie zwischen dem Rechtsdenken der Römer und der angelsächsischen juristischen Betrachtungsweise. Es muß darauf hingewiesen werden, daß in gewisser Hinsicht - insbesondere im Falle der mutatis mutandis auch das römische Recht kennzeichnenden stare decisis-Doktrin - es auch innerhalb des römischen Rechts Anzeichen für die wegweisende Kraft der das Urteil beeinflussenden Rechtsmeinung gibt.

Auf dem Terrain des römischen Rechts hat die Relevanz der richterlichen Rechtsprechung hinsichtlich des Vergleichs mit dem englischen Recht große Bedeutung. Aufgrund der juristischen und nicht-juristischen Quellen kann die Bedeutung des case law erforscht werden. Eine gleichsam paradigmatische Bedeutung hat hierbei - neben der Schenkung[46] - das Erbrecht. In diesem Bereich ist nämlich insbesondere in der querela inofficiosi testamenti das Gewicht der früheren Entscheidungen ersichtlich. Auf dem Gebiet des Schuldrechts wäre die compensatio zu erwähnen, bei der die responsa aus früheren Zeiten eher große Bedeutung besitzen. Diese Bedeutung kommt natürlich durch die Anerkennung der normativen Kraft von bestimmten Rechtsprinzipien zur Geltung. Wichtig ist auch die Untersuchung der Problematik des ius singulare. Im Falle des ius singulare nämlich - z.B. bei einem Privilegium - ist die Formel in aliis similibus mit großer Umsicht, und unter Berücksichtigung der früheren Fälle, auszulegen.

Die stare decisis-Doktrin hat in der neuzeitlichen englischen Rechtsentwicklung große Bedeutung. Freilich wird die Trennlinie zwischen ratio decidendi und obiter dictum schärfer gezogen, was bisweilen eine schwerwiegende juristische Aufgabe ist - hierauf haben bereits mehrere Verfasser hingewiesen, so z.B. Montrose, Simpson, Derham, Allen, Cross und Paton. Die stare decisis-Doktrin ist letzten Endes darauf zurückzuführen, daß seit dem frühen Mittelalter das wichtigste Element des englischen Rechts der Richter (judge) selbst ist, der daher nicht zu Unrecht von Dawson als „Orakel des Rechts“ bezeichnet wird.

  1. In der Entwicklung des europäischen Privatrechts spielt die Konvergenz eine immer bedeutendere Rolle[47]. Zu Recht schreiben einige Autoren in der jüngeren Literatur, so z.B. H. Patrick Glenn[48], James Gordley[49] und Paolo Gallo[50], von der Relativierung der Unterschiede zwischen dem Common law und dem civil law und sogar in einigen Rechtsinstituten von deren gänzlichen Beseitigung[51]. Auf dem Gebiet des Schuldrechts werden zahlreiche kontinentaleuropäische Rechtsinstitute vom englischen Recht übernommen[52]. Selbst die Idee der Regelung einiger Institute mittels Gesetzgebung ist dem englischen Juristen nicht fremd[53]. In dieser Hinsicht können wir auf den Married Women’s Property Act vom Jahre 1882 und den Marriage Act vom Jahre 1949 verweisen[54]. Im Hinblick auf den trust wurde in der Literatur mehrfach darauf hingewiesen, daß es zwischen einigen Konstruktionen des civil law und der englischen Konstruktion des trust kein unüberbrückbares Hindernis besteht[55].

In terminologischer Hinsicht ist es bemerkenswert, daß einige englische Autoren bezüglich des English private law die Tradition des römischen Rechts eigens hervorheben[56]. Es besteht kein Zweifel daran, daß das Kaufrecht der Vereinten Nationen als Modell für die Harmonisierung zwischen Common law und civil law dient.

Die Rechtsangleichung des Privatrechts in Europa wird durch die kulturelle Einheit, worunter die gemeinsamen kulturellen Traditionen zu verstehen sind, ermöglicht[57]. Es ist zu betonen, daß die allgemeinen Rechtsgrundsätze die Rechtsharmonisierung im Bereich des Privatrechts erleichtern[58].

Das Privatrecht der europäischen Länder bzw. Staaten basiert - wenn auch in unterschiedlichem Maße und aufgrund unterschiedlicher historischen Traditionen - auf dem römischen Recht bzw. auf dessen Tradition[59]. Diese Feststellung wird immer offensichtlicher in einer Zeit, da die oftmals politisch motivierten Unterschiede zwischen den „Rechtsgebieten“, „Rechtsfamilien“ verringert, ja oft aufgehoben werden. Die (im unterschiedlichen Maße stattfindende) „Annahme“, d.h. Rezeption des römischen Rechts wird auch nicht durch die unterschiedlichen kulturellen und juristischen Traditionen verhindert. Demgemäß ist es angebracht, bei der umfassenden, vergleichenden Analyse der Entwicklung des europäischen Rechts die herausragende Bedeutung des römischen Rechts zu berücksichtigen[60].

III. Überblick über die Geschichte der Kodifikation des Privatrechts in Ungarn

  1. Am Anfang dieses Überblicks soll darauf verwiesen werden, daß ein ernsthafter Wandel im ungarischen Rechtsleben mit dem Eindringen der pandektistischen Richtung der deutschen Historischen Rechtsschule einherkam. Dieser Umbruch zeigt sich zuerst beim ersten herausragenden Privatrechtswissenschaftler des 19. Jahrhunderts, bei Ignâc Frank (1788-1850). Ignác Frank sprach sich, wie auch Friedrich Carl von Savigny (1779-1861), konsequent gegen eine Kodifikation des Privatrechts aus. Für den hervorragenden ungarischen Rechtswissenschaftler Lâszlo Szalay (1813-1864) ist sein Zeitgenosse Ignác-Frank der „Wegweiser in eine neue Ära“. Frank verwendet in seinem 1823 veröffentlichten Werk Specimen elaborandarum institutionum iuris civilis Hungarici bei der Erörterung der ungarischen Grundstücksverhältnisse Begriffe des römischen Rechts, die auch in seinen anderen Arbeiten auftauchen. Ein engagierter Bekenner der Historischen Rechtsschule war auch Ignác Franks Schüler Gusztáv Wenzel (1818-1891), in dessen Werken man ebenfalls zahlreiche Bezüge zum römischen Recht findet.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts übte die deutsche Pandektistik bzw. Pandektenwissenschaft immer größeren Einfluß auf die ungarische Rechtswissenschaft und auch auf die richterliche Praxis aus. Die meisten ungarischen Romanisten und Privatrechtswissenschaftler waren in dieser Zeit Schüler von deutschen Pandektisten. Der namhafteste ungarische Jhering-Schüler war der Romanist und Privatrechtler Gusztâv Szâszy-Schwarz (1858-1920). Auch der an der Rechtsakademie in Györ, später in Nagyszeben (Hermannstadt, heute Sibiu in Rumänien) tätige Mihály Biermann (1848-1889) besuchte die Vorlesungen Rudolf von Jherings in Göttingen. Der in der Rechtsvergleichung herausragende Verdienste erworbene und international hoch angesehene Elemér Balogh (1881-1953) war Schüler von Heinrich Dernburg (1829-1907) in Berlin. Damit ist es zu erklären, daß diese und andere ungarische Rechtsgelehrten durch ihre literarische Tätigkeit die Übernahme der Elemente des deutschen Pandektenrechts in die ungarische Rechtsprechung vorantrieben.

Nach dem Scheitern dieses Versuchs der Kodifikation des Privatrechts versuchte der Hegelianer und entschiedener Gegner von Savignys kodifikationsskeptischen Ideen László Szalay (1813-1864) das ungarische Privatrecht auf der Grundlage des von ihm als ideal betrachteten französischen Code civil zu kodifizieren. Dieser Versuch war aber zum Scheitern verurteilt, da der französische Code civil als Modell für einen Zivilkodex vor allem aus politischen und ideologischen Gründen im damaligen Ungarn nicht akzeptabel war.

Betonenswert ist, daß im Königreich Ungarn im Reformzeitalter zahlreiche Teilbereiche des Privatrechts im weiten Sinne gesetzlich geregelt wurden, wie z.B. das Recht der Kaufleute und das Konkursrecht.

  1. Im Zuge der Revolution und des Unabhängigkeitskampfes 1848/1849 wurde der Gesetzesartikel 1848:XV verabschiedet. Dieses Gesetz erklärt grundsätzlich die Avitizität (aviticitas) für abgeschafft und kündigt die Kodifizierung des Privatrechts an.

Um die Kodifizierung vorzubereiten, richtete der hervorragende Rechtswissenschaftler und damalige Justizminister Ferenc Deák (1803-1876) im „Justizministerium“ (d.h. in der Justizabteilung des damaligen einheitlichen Ministeriums) eine Kodifikationsabteilung ein. Deâk bestimmte unter anderem als Aufgabe die Fertigstellung des „Straf-, Bürgerlichen und Bergbaugesetzbuches“. Mit der Leitung der Abteilung wurde ursprünglich Lászlßo Szalay selbst beauftragt. Wie Szalays Brief aus Frankfurt am Main (wo er eine diplomatische Mission bei der deutschen Nationalversammlung wahrnahm) bezeugt, konnte der am 2. Juli 1848 einberufenen ungarischen Nationalversammlung kein Entwurf vorgelegt werden. Es war nämlich lediglich „ein dünnes Aktenbündel“ im Hinblick auf die Kodifikation im Archivmaterial des „Justizministeriums“ vorhanden.

Folglich ist auch dieser dritte Kodifikationsversuch mißglückt, vor allem wegen des späteren Geschichtsverlaufs (Scheitern der ungarischen Unabhängigkeitsbewegungen).

  1. Nach der Niederschlagung des Freiheitskampfes im August 1849 wurde im Jahre 1853 in Ungarn (und mehrere Monate später, am 1. September 1853, auch in Siebenbürgen) das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) durch königliches Patent in Kraft gesetzt. Die Wiederherstellung des Konstitutionalismus im Königreich Ungarn erfolgte durch das Oktoberdiplom im Jahre 1860, das einem Staatsgrundgesetz gleichkam. Im Sinne des Oktoberdiploms lag die Gesetzgebung einschließlich der Kodifikation des Rechtssystems im Kompetenzbereich der Landtage oder des Reichsrats. Als Folge wurde die Judexcurialkonferenz (ungarisch: Országbírói Értekezlet) in Sopron (deutsch: Ödenburg) einberufen, die die Reform des ungarischen Privatrechts auf nationalen Grundlagen in Angriff nahm. Einige Teilnehmer der Judexcurialkonferenz, unter anderem György Zsivora (1804-1883)[61], befürworteten die Beibehaltung des ABGB, wenn auch mit einigen Modifikationen. Diese Modifikationen sollten die Eigentümlichkeiten der ungarischen Rechtsentwicklung berücksichtigten.

Die Judexcurialkonferenz verabschiedete im Jahre 1861 die „Provisorischen Justizregeln“ (ungarisch: Ideiglenes Törvénykezési Szabályok). Das ABGB war demnach grundsätzlich bis zur Verkündung der Provisorischen Justizregeln in Kraft. Indes galt das ABGB weiterhin in einigen Teilen Ungarns, z.B. im historischen Siebenbürgen, weiter fort, da diese Gebiete vor dem Ausgleich im Jahre 1867 zentral von Österreich aus verwaltet wurden. Die Wiederaufnahme der Vorarbeiten an einer Kodifikation des Privatrechts für das gesamte ungarische (Staats-)Gebiet ließ daher fast bis zum Ausgleich (auf Ungarisch: Kiegyezés) auf sich warten.

  1. Die am 10. Dezember 1865 einberufene Nationalversammlung beschloß, ein ungarisches bürgerliches Gesetzbuch auszuarbeiten. Im Zusammenhang damit prallten im wesentlichen folgende Standpunkte aufeinander: Auf der ersten Juristenversammlung in Ungarn im Jahre 1870 wurde vorgeschlagen, das österreichische ABGB provisorisch wieder in Kraft zu setzen. Dabei betonten sie, vor allem Imre Hódossy, daß lediglich zehn Prozent des Textes des ABGB reformbedürftig sei. Andere hingegen, wie etwa Antal Rentmeister, Anhänger der historischen Rechtsschule, wiesen auf die Wichtigkeit der Bewahrung des alten, heimischen Rechts (ius patrium) hin. Rezsö dell’Adami wiederum betonte, daß auch das (als heimisches Recht betrachtete) Tripartitum opus iuris consuetudinarii inclyti regni Hungariae von Istvân Werböczy viele fremde Elemente in sich aufgenommen hätte. Ein bedeutender Befürworter der vierten Richtung, nämlich der Schaffung eines neuen, eigenständigen ungarischen bürgerlichen Gesetzbuches, war Sándor Daempf.

Nach diesen Vorgängen arbeitete der ungarische Romanist und Zivilist Pal Hoffmann im Jahre 1871 den Entwurf des Allgemeinen Teils des ungarischen bürgerlichen Gesetzbuches (auf Ungarisch: Általános Magánjogi Törvénykönyv) aus. Hierzu war er vom damaligen Justizminister Boldizsar Horvâth beauftragt worden. Hoffmanns Entwurf folgt im wesentlichen den entsprechenden Abschnitten des 1863 veröffentlichten und im Jahre 1865 in Kraft gesetzten, vorwiegend den Einfluß Georg Friedrich Puchtas widerspiegelnden Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen. Der Entwurf wurde von der Königlichen Tafel (Obergericht) und der Curia (Höchster Gerichtshof) begutachtet: Als Kritik wurde sein schwerfälliger Stil und die Regelung von nicht mehr zeitgemäßen Rechtsinstituten vorgebracht.

Ein zweiter Entwurf des Allgemeinen Teils wurde im Jahre 1880 von Elek Györy (1841-1902) ausgearbeitet.

Der nächste zivilrechtliche Kodifikationsentwurf war auf das Erbrecht beschränkt. Zur Vorgeschichte ist zu vermerken, daß im Bereich des Erbrechts die ungarischen Juristen eine besonders konservative Haltung einnahmen. Dies wird dadurch bezeugt, daß die Judexcurialkonferenz im Jahre 1861 (die das österreichische ABGB in Ungarn weitgehend außer Kraft setzte) das Rückfallerbrecht (paterna paternis, materna maternis), d.h. Unterscheidung zwischen angestammten und erworbenen Gütern im Falle, daß keine Abkömmlinge vorhanden sind, sowie das Familienfideikomiß (fideicommissum) beibehielt. Die Teilnehmer der Konferenz begründeten diese Entscheidung mit dem Ziel der „Wahrung der Erzeugnisse des rechtsschöpferischen Genius des Ungarntums“.

Im Jahre 1871, auf der in der Hauptstadt abgehaltenen Zweiten Juristenkonferenz, machte Istvân Teleszky (1836-1899) den Vorschlag, das ungarische Erbrecht noch vor der allgemeinen, umfassenden Kodifikation zu kodifizieren. Zwei Jahre später wurde er vom Justizminister mit der Vorbereitung eines entsprechenden Entwurfes beauftragt. Im Jahre 1876 erschien sein Werk unter dem Titel Orökösödési jogunk törvényhozási szabályozásához (Zur gesetzgeberischen Regelung unseres Erbrechts), in dem Teleszky die Leitideen des Entwurfes darlegte. Eines seiner Reformvorhaben war die Abschaffung der Rückfallerbfolge (ungarisch: ági öröklés). Der auf dieser Grundlage im Jahre 1882 erstellte offizielle „Entwurf des Allgemeinen Zivilgesetzbuches. Erbrecht“ basiert sowohl seiner Struktur als auch seinem Inhalt nach ebenfalls auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen. Er schöpfte aber auch aus dem Werk Entwurf eines deutschen Reichsgesetzes über das Erbrecht nebst Motiven (Braunschweig, 1876) von Friedrich Mommsen, einem Werk, das im Zusammenhang mit den im Jahre 1873 in Angriff genommenen Entwurfsarbeiten für die privatrechtliche Kodifikation in Deutschland verfaßt worden war. Dieser Privatentwurf von Friedrich Mommsen wirkte besonders auf die Regelung hinsichtlich der letztwilligen Verfügung und des Nachlaßerwerbs in Teleszkys Erbrechtsentwurf ein. Außerdem ist zu betonen, daß im Gegensatz zum österreichischen ABGB, das dem Prinzip der Testierfreiheit folgt, beim ungarischen Entwurf die gesetzliche Erbfolge Vorrang hatte. Der Gesetzentwurf über das Erbrecht, der durch den Justizausschuß des ungarischen Abgeordnetenhauses im Jahre 1889 veröffentlicht wurde, folgte weitgehend Teleszkys Entwurf.

Der Kodifikationsversuch des Schuldrechts bzw. der Schuldverhältnisse von Istvan Apáthy[62] (1829-1889) - das übrigens auch vom Vorgänger des späteren deutschen BGB, nämlich vom Dresdner Entwurf des Obligationsrechts aus dem Jahre 1866 mitgeprägt wurde - folgt im Bereich der Rechtsgeschäfte der Willenstheorie Savignys. Ebenso verhält es sich mit dem Entwurf Pal Hoffmanns und mit dem von Elek Györy redigierten Allgemeinen Teil vom Jahre 1880.

Der sachenrechtliche Entwurf von Endre Halmossy vom Jahre 1882 war hingegen nur im geringen Maße von der deutschen Pandektistik beeinflußt.

Die familienrechtlichen Entwürfe dieser Zeit stammen von László Sipöcz (Von der Vormundschaft und Pflegschaft, 1891), Benö Zsögöd (Das persönliche Verhältnis der Ehegatten zueinander und eheliches Vermögensrecht, 1891) und Lajos Králik (Von den Eltern und den Kindern, 1892).

Der Entwurf von Benö Zsögöd (Béni Grosschmid, 1852-1938) war kaum von der deutschen Pandektistik beeinflußt. Benö Zsögöd war vor allem auf dem Gebiet des Eigentums und des Erbrechts ein engagierter Vertreter, sogar Verfechter der Beibehaltung der jahrhundertelangen (feudal geprägten) Traditionen ungarischen Privatrechts (ius patrium).

Als Resumée kann festgehalten werden, daß mithilfe der zahlreichen Teilentwürfe am Anfang der 1880-er Jahre das erste lockere, gleichwohl mangelhafte „Gewebe“ eines Gesamtentwurfes des ersten bürgerlichen Gesetzbuches zustande gekommen ist. Immerhin wurde im Jahre 1894 der personenrechtliche Teil des Eherechts gesetzlich geregelt (Gesetz 1894:XXXI). Erwähnung verdient auch das Gesetz 1877:XX über die Vormundschaft und Pflegschaft.

  1. Das Bestreben, ein Zivilgesetzbuch zu verabschieden, beherrschte von dem Jahre 1895 an die ungarische Rechtspolitik. Einen der konsequentesten Anhänger dieser Bestrebung findet man in dem ungarischen Romanisten und Zivilisten Gusztâv Szászy-Schwarz. Sein aus 2043 Paragraphen bestehender Entwurf wurde im Jahre 1900 vollendet, als der namhafte Prozeßrechtler Sândor Plósz (1846-1925) Justizminister war. Im Gegensatz zu den früheren Teilentwürfen ist dieser Entwurf (genannt der erste Entwurf) umfassend. Im Aufbau und in den Rechtsinstituten ist der Einfluß des deutschen BGB eindeutig festzustellen. Der Entwurf gliedert sich in vier Teile: Personen- und Familienrecht, Schuldrecht, Sachenrecht und Erbrecht. Die Funktionen des fehlenden Allgemeinen Teils werden in diesem Kodifikationswerk von den ersten Titeln des Schuldrechts wahrgenommen, die immerhin einem „versteckten“ Allgemeinen Teil gleichkommen. Hinsichtlich der Rechtsgeschäfte folgt dieser Entwurf der Erklärungstheorie.

Der zweite Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches aus dem Jahre 1913 (genannt: Kommissionstext vom Jahre 1913) entstand während der Amtszeit des Justizministers Jenö Balogh, der gleich seinem Vorgänger Sândor Plósz ein namhafter Jurist war. Auf diesen kürzeren, aus 1980 Paragraphen bestehenden Entwurf wirkte sich das deutsche BGB stärker aus als auf den Entwurf vom Jahre 1900. Gleichwohl hat auch dieser Entwurf keinen Allgemeinen Teil, sondern gliedert sich in folgende Bücher: Personen- und Familienrecht, Schuldrecht, Sachenrecht und Erbrecht. Demnach gibt es vom Aufbau her keinen Unterschied zum ersten Entwurf vom Jahre 1900. Die Vereine und Stiftungen werden in diesem Entwurf nicht behandelt, sondern sollten in einem eigenständigen Gesetz geregelt werden. Der Entwurf legte großes Gewicht auf den Schutz des gutgläubigen Rechtsverkehrs, wodurch etliche Änderungen im Vergleich zum ersten Entwurf zu erklären sind. Das Erbrecht ist wesentlich umfangreicher als der erbrechtliche Teil seines „Vorgänger-Entwurfs“. Die wichtigsten Neuerungen im Erbrecht sind: das dingliche Vermächtnis, die Nachlaßverwaltung und die Veräußerung der Erbschaft.

Im Jahre 1914 wurde der dritte Entwurf (genannt: Parlamentstext vom Jahre 1914) erstellt. Im Jahre 1915 veröffentlichte man den vierten Entwurf (genannt: Kommissionsentwurf vom Jahre 1915). Diese beiden Entwürfe enthielten nur geringfügige Änderungen zu den Entwürfen vom Jahre 1900 bzw. 1913. Zum Scheitern des dritten und des vierten Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches trug vor allem der Ausbruch des Ersten Weltkrieges bei.

  1. In der Ausarbeitung des fünften Entwurfs des Privatrechtsgesetzbuchs (ungarisch: Magánjogi törvényjavaslat, abgekürzt Mtj.) aus dem Jahre 1928 spielte Béla Szászy (1865-1931) -auch „ungarischer Eugen Huber“ genannt - eine herausragende Rolle[63]. Der aus 2171 Paragraphen bestehende Entwurf entstand während der Amtszeit des Justizministers Andrâs Tasnádi Nagy. Dieser privatrechtliche Kodifikationsentwurf zeugt insbesondere vom starken Einfluß des schweizerischen ZGB und des schweizerischen Obligationenrechts.

Bezüglich der objektiven, vom Verschulden unabhängigen Haftung verdient die Wirkung der Pandektistik auf das ungarische Privatrecht eigens Erwähnung. In dem Entwurf des ungarischen Bürgerlichen Gesetzbuches vom Jahre 1900 wurde die Haftung unter Einwirkung des deutschen BGB auf dem Verschuldensprinzip basierend geregelt. § 1486 des Entwurfs vom Jahre 1913 ermöglichte bereits - dem Zweiten Entwurf des BGB vom Jahre 1887 folgend - den Schadensersatz auch ohne Verschulden (culpa). Der auch international bekannte und gewürdigte § 1737 des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches aus dem Jahre 1928 (Mtj.) über die Billigkeitshaftung folgt im wesentlichen - wenn auch nicht unmittelbar - dem Zweiten Entwurf des deutschen BGB, indem er die objektive Schadensersatzhaftung als subsidiäre Regelungsgrundlage anerkennt.

Zur Wirkung des Mtj. ist hervorzuheben, daß es von den ungarischen Gerichten gleichsam als geltendes Recht („geschriebenes Gewohnheitsrecht“) angewandt wurde, weshalb es in Richterkreisen gerne auch als ratio scripta bezeichnet wurde. In dieser Hinsicht kann man gewisse Parallelzüge zwischen dem fünften Entwurf (Mtj.) und dem Tripartitum von István Werböczy erkennen. Manche nannten den Entwurf sogar - und zwar nicht ohne Grund - als „privatrechtliche Verfassungsurkunde“.

Die herausgehobene Bedeutung des Kodifizierungsvorhabens wird dadurch belegt, daß ein eigenes Gesetz (Gesetz 1931:XXII) das Verfahren der parlamentarischen Debattierung des Mtj. und der Promulgation des bürgerlichen Gesetzbuches verabschiedet worden ist. Für die Koordination der Verabschiedung war der damalige Justizminister Tibor Zsitvay (1884-1969) verantwortlich. Laut diesem Verfahrensgesetz war eine 60-köpfige Kommission zu bilden, die aus je 30 Mitgliedern des Abgeordnetenhauses (auf Ungarisch: Képviselôhâz) und des Oberhauses (auf Ungarisch: Felsöház) bestehen sollte. Noch in seiner Parlamentseröffnungsrede betonte der Reichsverweser Miklós Horthy (1868-1957), daß „das Parlament eine Aufgabe zu lösen hätte, die sich in Jahrhunderten nur selten stellt“. Im demselben Jahr kam es aber infolge der Wirtschaftskrise zu einem Regierungswechsel, der zum zeitweiligen Ende des Kodifizierungsvorhabens führte.

Das ungarische Parlament hat diesen Entwurf im Jahre 1931 also aus aktualpolitischen Gründen nicht verabschiedet. Langfristig gesehen war aber entscheidend, daß nach dem Ersten Weltkrieg laut Friedensvertrag von Trianon große Gebiete vom historischen Ungarn abgetrennt und an Anrainerstaaten angeschlossen worden waren. Diese Gebiete wären nämlich mit der Verabschiedung eines ungarischen bürgerlichen Gesetzbuches in Zwischenkriegs-Ungarn vom geltenden Privatrechtssystem abgeschnitten worden. In diesen Gebieten galt nämlich größtenteils das nicht kodifizierte ungarische Gewohnheitsrecht fort[64]. Eine Ausnahme hiervon bildet das an Österreich angegliederte Burgenland, wo das ABGB am 15. Juni 1922 in Kraft gesetzt wurde.

  1. Als allgemeines Charakteristikum dieser fünf, zwischen den Jahren 1900 und 1928 entstandenen Entwürfe kann folgendes festgestellt werden: Die bedeutenden Neuerungen in den Entwürfen konnten zwar von der ungarischen Rechsprechung in Ermangelung einer formalen parlamentarischen Verabschiedung offiziell nicht akzeptiert werden. Jedoch wurden diese Neuerungen zu einer Art „Fundgrube der ungarischen privatrechtlichen Einzelgesetzgebung“.

Der Gesetzgeber entnahm nämlich diesen Entwürfen das Material für die später ausgearbeiteten und verabschiedeten Gesetze über die Haftung beim Tierkauf (Gesetz 1923:X), über die Hypothek (Gesetz 1927:XXXV), über das Urheberrecht (Gesetz 1921:LIV) sowie über die Haftung der Gastwirte (Gesetz 1924:XIII), um nur einige Gesetze zu nennen.

  1. Das erste (und mit Modifizierungen heute noch gültige) ungarische Zivilgesetzbuch wurde im Jahre 1959 verabschiedet. Die Kodifikationskommission wurde vom Ministerrat im Dezember 1953 ins Leben gerufen. Unter ihren Mitgliedern befanden sich die Repräsentanten der folgenden Einrichtungen: die Lehrstühle für Zivilrecht der drei juristischen Fakultäten der Universitäten Budapest, Pécs und Szeged, 4er Lehrstuhl für Recht der Wirtschaftsuniversität Budapest, die zivilrechtliche Abteilung des Staats- und Rechtswissenschaftlichen Instituts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, der Oberste Gerichtshof und die Oberste Staatsanwaltschaft sowie Vertreter des Justizministeriums.

Der (erste) Entwurf wurde im September 1956 fertiggestellt. Nachdem im Frühjahr 1957 eine vom Justizminister aufgestellte engere Kommission die prinzipiellen Fragen des Entwurfs überprüft hatte, entstand der modifizierte Entwurf des Jahres 1957. Dieser Entwurf wurde veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Der Text des endgültigen Entwurfes, der wieder von einer Kommission des Justizministeriums angefertigt worden war, wurde im Jahre 1959 dem Parlament als Gesetzesentwurf vorgelegt und noch im selben Jahre verabschiedet. Das ungarische ZGB ist am 1. Mai 1960 in Kraft getreten.

  1. Das ZGB spiegelt auch in seiner ursprünglichen Fassung trotz seines durch die sozialistische Ideologie geprägten Grundcharakters unter anderem den Einfluß des schweizerischen Zivilgesetzbuches, des schweizerischen Obligationenrechts, des deutschen BGB und des Entwurfes des ungarischen Bürgerlichen Gesetzbuches aus dem Jahre 1928 (Mtj.) wider. Von den Zivilgesetzbüchern der sozialistischen Staaten berücksichtigten die Kommissionsmitglieder das Zivilgesetzbuch Sowjetrußlands vom Jahre 1922, das tschechoslowakische Zivilgesetzbuch aus dem Jahre 1950, den Entwurf des polnischen Zivilgesetzbuches aus dem Jahre 1955, das bulgarische Gesetz über Schuldverhältnisse und Verträge vom Jahre 1950 und das bulgarische Gesetz über das Eigentum vom Jahre 1951.

Das ungarische ZGB hat keinen Allgemeinen Teil, sondern nur in sieben Paragraphen gegliederte einleitende Bestimmungen. Der Kodex gliedert sich in die folgenden Teile: Einleitende Bestimmungen, Personenrecht (Der Mensch als Rechtssubjekt; Der Staat als Rechtssubjekt; Die juristischen Personen; Der zivilrechtliche Schutz der Personen), Eigentum, Schuldrecht, Erbrecht und Schlußbestimmungen. In vielen Rechtsinstituten spiegelt sich der unmittelbare Einfluß des römischen Rechts wider.

Das ZGB verwendet weder den Begriff des Sachenrechts (auf ungarisch: dologi jog) noch den der beschränkten dinglichen Rechte. Gleichwohl ist der Inhalt der verschiedenen Formen des Eigentums (wie staatliches Eigentum, kooperatives Eigentum, das sog. „persönliche Eigentum“ und das in beschränktem Maße bestehende Privateigentum) durch die von Ulpianus entwickelten Teilberechtigungen des Eigentümers (uti, frui, habere, possidere, abuti) geprägt. Im Bereich des Besitzrechts kannte das ungarische ZGB nur die possessio civilis, nicht aber die possessio naturalis (detentio). Der possessorische Besitzschutz war also im Gesetz ursprünglich nicht geregelt, wurde aber später in der richterlichen Praxis anerkannt. Bei der Eigentumsübertragung folgt das ZGB dem Traditionsprinzip: Neben dem Rechtsgrund (causa, titulus) wird auch die Übergabe der Sache (traditio) verlangt. Die Ersitzung (usucapio) war aber nicht dem römischen Recht nachgebildet, weil das ungarische ZGB hierfür nur eine ersitzbare Sache (res habilis), aber keine Gutgläubigkeit (bona fides) und keinen Rechtsgrund (iustus titulus, iusta causa) voraussetzte. Die Dienstbarkeiten (Servitutes) werden als selbständige Nutzungsrechte anerkannt.

Der Schuldrechtliche Teil (Teil IV) des ZGB folgt insofern dem Pandektensystem, als er sich aus einem Allgemeinen Teil und einem Besonderen Teil zusammensetzt. Gleichwohl wird im Gegensatz zum deutschen BGB die Einteilung in einseitige und zweiseitige Rechtsgeschäfte verworfen. Die Redaktoren des ZGB folgten im Vertragsrecht der Erklärungstheorie. Gemäß der regula Catoniana kann man sich unbegrenzt auf die Nichtigkeit eines Vertrags berufen. Das Pfandrecht wird als Sicherung der Obligationen ebenfalls im Rahmen des Schuldrechts behandelt, wobei das pignus Gordianum (Pfandrecht bei Dauerschuldverhältnissen) anerkannt ist. Römischrechtlich beeinflußt ist auch die Regelung der verschiedenen Naturalobligationen (z.B. Forderungen aus Spiel und Wette). Innerhalb des Schuldrechts (in Kapitel XXXV) wurden auch die Planverträge (tervszerzödések) geregelt. Dieses Kapitel wurde aber nach der Wirtschaftsreform im Jahre 1968 (Neuer Wirtschaftlicher Mechanismus, auf ungarisch: új gazdasági mechanizmus) nicht mehr angewandt und im Jahre 1977 auch formal außer Kraft gesetzt.

Das ungarische Erbrecht wurzelt weitgehend im römischen Recht bzw. in den römischrechtlichen Traditionen. Das ungarische ZGB kennt jedoch nur die ipso iure-Erbfolge, nicht aber - wie z.B. das österreichische ABGB - die hereditas iacens.

  1. Das ungarische Zivilgesetzbuch wurde allmählich - bereits in den Jahren 1967 und 1977, aber vor allem nach dem politisch-ökonomischen Systemwechsel - von den von der sozialistischen Ideologie geprägten Bestimmungen bereinigt und mit den Erfordernissen der Marktwirtschaft in Einklang gebracht. Während einige Modifikationen des ZGB in seinem Grundcharakter veränderten (so z.B. das Gesetz 1991:XIV und das Gesetz 1993:XCII), betrafen anderen Änderungen lediglich einzelne Rechtsinstitute. Im Gesetz 1991:XIV wurden die Nichtigkeit der sittenwidrigen Verträge (contractus contra bonos mores) und das Prinzip Treu und Glauben gesetzlich eingeführt. Seit dem Jahre 1996 gibt es die Hypothek an beweglichen Sachen, die ebenfalls eine Rückkehr zur römischenrechtlichen Tradition bedeutet.

Der Umstand, daß sich das ungarische ZGB aus dem Jahre 1959 - wenngleich mit Modifikationen - sowohl während der „sozialistischen Marktwirtschaft“ als auch nach der Wende im marktwirtschaftlichen System als rechtliche Grundlage eignete, ist darauf zurückzuführen, daß die Redaktoren viel Wert auf die konstanten Elemente des Zivilrechts legten und - im krassen Gegensatz z.B. zu den Verfassern des Zivilgesetzbuches der DDR vom Jahre 1975 - ideologisch gefärbten Bestimmungen wenig Raum ließen. Somit wird im ungarischen ZGB Karl Renners These über die „Neutralität des Rechts“ weitgehend bestätigt.

Auch nach der Verabschiedung des ungarischen ZGB hat - im Einklang mit der jahrundertelangen ungarischen Tradition - die richterrechtliche Rechtsprechung, vor allem die des Obersten Gerichtshofes (auf Ungarisch: Legfelsöbb Bíróság) eine schöpferische Rolle gespielt.

  1. Viele Teilbereiche des Privatrechts wurden nicht im ZGB, sondern, dem sozialistischen Konzept der sog. Rechtszweige[65] folgend, in Sondergesetzen teilkodifiziert. Das Familienrecht wird durch das Gesetz über die Ehe, Familie und Vormundschaft vom Jahre 1952 geregelt. Dieses Gesetz wurde noch vor dem Systemwechsel mehrfach novelliert, so z.B. im Jahre 1987. Das Arbeitsgesetzbuch vom Jahre 1967 - das Arbeitsrecht wurde bis dahin nur durch Verordnungen geregelt - wurde ebenfalls mehrfach modifiziert und im Jahre 1992 durch ein neues Arbeitsgesetzbuch ersetzt.

Das „geistige Eigentum“ wurde zunächst in einem Gesetz aus dem Jahre 1969 geregelt, das im Jahre 1999 von einem neuen Gesetz ersetzt worden ist. Die „Gesetzesverordnung“ (auf Ungarisch: törvényerejü rendelet) über das internationale Privatrecht stammt aus dem Jahre 1979. In Bezug auf die Genossenschaften sind nach der Wende die Gesetze 1992:I und 2000:CXLI verabschiedet worden.

  1. Im Laufe der Vorbereitung[66] der Neukodifizierung des ungarischen Privatrechts (Zivilrecht, Handels- bzw. Gesellschaftsrecht) waren unterschiedliche Standpunkte in Bezug auf die eigenständige oder integrierte Kodifkation des Gesellschaftsrechts (Handelsrechts) vertreten[67]. Diese Diskussion bezog sich auf die Anerkenung bzw. Ablehnung eines Code unique.

Juristische Grundlage für die staatlich initiierte Neukodifikation war der Regierungsbeschluß Nr. 1050/1998, später modifiziert durch den Regierungsbeschluß Nr. 1061/1999. Die Kodifikationshauptkommission nahm in ihrer Sitzung am 8. November 2001 das „Konzept des neuen ungarischen Zivilgesetzbuches“ (auf Ungarisch: Az uj Polgári Törvénykönyv koncepciója) an. Aufgrund des Regierungsbeschlusses Nr. 1009/2002 wurde das Konzept am 31. Januar 2002 veröffentlicht[68]. Mit dem Regierungsbeschluß Nr. 1003/2003 wurde die Ausarbeitung eines konkreten Gesetzestextes beschlossen.

Als entschieden gilt, daß das neue Zivilgesetzbuch kein code unique (wie z.B. der italienische Codice civile vom Jahre 1942 oder das neue niederländische Burgerlijk Wetboek) sein wird. Einen Aligemeinen Teil wird es nicht geben. Das neue ungarische ZGB hat folgende Struktur: Einleitende Bestimmungen (Erstes Buch), Personen (Zweites Buch), Familienrecht (Drittes Buch), Sachenrecht (Viertes Buch), Schuldrecht (Fünftes Buch), Erbrecht (Sechstes Buch) und Schlussbestimmungen (Siebtes Buch). Das neue ZGB wird also im Gegensatz zum Zivilgesetzbuch vom Jahre 1959 auch das Familienrecht regeln.

Die Kodifikationshauptkommission hat das monistische Konzept (concept moniste) angenommen. Im Einklang damit wird das neue ZGB im Bereich der allgemeinen Regeln des Schuldrechts einheitlich für Kaufleute und Nicht-Kaufleute gelten. Es werden aber Sonderregelungen für Verbraucher gelten, wobei die Redaktoren den neuesten Entwicklungen im europäischen Verbraucherschutz Rechnung tragen werden. Das monistische Konzept kommt auch darin zum Ausdruck, daß die allgemeinen (privatrechtlichen) Regeln in Bezug auf die Handelsgesellschaften ebenfalls im neuen ZGB (im Teil über die juristischen Personen) zu finden sein werden[69].

Das Arbeitsrecht wird auch weiterhin in einem eigenständigen Kodex geregelt. Die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts im ZGB werden aber als sekundäre Rechtsmaterie bzw. Quelle des individualen Arbeitsvertrages gelten.

Teilregelungen im Hinblick auf das „geistige Eigentum“ (z.B. das Nutzungsvertragsrecht) werden auch in das neue ungarische Zivilgesetzbuch eingefügt.

Die Redaktoren orientieren sich nicht an einem einzigen ausländischen Zivilgesetzbuch bzw. Bürgerlichen Gesetzbuch. Deswegen dient z.B. das neue niederländische Bürgerliche Gesetzbuch (Burgerlijk Wetboek) nicht als ausschlaggebendes Modell. Die Redaktoren schöpfen unter anderem aus dem Wiener Kaufrechtsabkommen vom Jahre 1980, aus den UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts vom Jahre 1994 und aus den Principles of European Contract Law vom Jahre 1997. Die Redaktoren berücksichtigen auch das Gemeinschaftsprivatrecht[70], schon mit Rücksicht auf den am 1. Mai 2004 erfolgten Beitritt Ungarns zur Europäischen Union.

Der Umstand, daß Ungarn - als einziger Reformstaat in Zentral- und Osteuropa - in Ermangelung eines politischen Konsenses keine neue Verfassung verabschiedet hat, stellte kein Hindernis für den bisherigen Verlauf der Kodifikationsarbeiten dar[71].

  1. Das ungarische Handelsgesetzbuch vom Jahre 1875 folgte dem Modell des Deutschen Allgemeinen Handelsgesetzbuches vom Jahre 1861 (ADHGB). Im Einklang damit folgte der ungarische Gesetzgeber dem dualistischen Konzept (concept dualiste). (Dieses dualistische Konzept wurde auch auch nicht durch den Umstand ausgeschlossen, daß in Ungarn erst im Jahre 1959 ein Zivilgesetzbuch verabschiedet wurden[72]). Das ungarische HGB blieb in novellierter Fassung bis Ende der 1940-er Jahre in Kraft. Die Regelung des HGB in Bezug auf einige Handelsgesellschaften blieb sogar bis zum 1. Januar 1989 in Kraft.

Ein neues (Reform)-Gesetz über die „Wirtschaftsgesellschaften“ wurde in Ungarn bereits im Jahre 1988 verabschiedet und trat am 1. Januar 1989 in Kraft (Gesetz 1988:VI). Dieses Gesetz hatte weitgehend das ungarische Handelsgesetzbuch ersetzt und maßgeblich zum wirtschaftlichen Wandel des Landes beigetragen. Zur Zeit ist das Gesetz über die Wirtschaftsgesellschaften aus dem Jahre 1997 in Kraft (Gesetz 1997:CXLIV), wobei dies durch das neue Gesetz über die Wirtschaftsgesellschaften (Gesetz 2006:IV) am 1. Juli 2006 abgelöst wurde.

 

  1. Übersicht über die Geschichte der Kodifikation des Privatrechts in Griechenland
  2. Im Jahre 1822 - nach der Erlangung der Unabhängigkeit von der osmanischen Herrschaft -begann man in den griechischen Territorien, die Basilika auch in formaler Hinsicht als gültiges Recht anzuwenden. Die Rechtsgrundlage hierzu bildete die in diesem Jahr promulgierte epidaurische Verfassungscharta. Das im Jahre 1828 angenommene Gesetz (auf Griechisch: psephisma) bekräftigte die Bestimmungen dieser Verfassung. In diesem Gesetz wird die Hexabibios zuerst als geltende Rechtsquelle erwähnt. Im Jahre 1835 wurde eine Verordnung verabschiedet, nach der für das Privatrecht des Landes bis zur Erstellung eines Bürgerlichen Gesetzbuches (auf Griechisch: nomos politikos) neben dem Gewohnheitsrecht die Gesetze der byzantinischen Kaiser anwendbar seien, und zwar in der Form, wie sie in der Hexabibios von Konstantinos Harmenopoulos vom Jahre 1345 niedergelegt sind.

Die ersten Ergebnisse der griechischen Kodifikationsbestrebungen waren der auf den Ionischen Inseln geltende Kodex vom Jahre 1841, das Gesetzbuch von Samos vom Jahre 1899 und der Kodex von Kreta vom Jahre 1903. Parallel zu ihnen wurden die verschiedenen Quellen des byzantinisch-römischen Rechts (ius Graeco-Romanum), vor allem die Hexabibios und die Basilika, verwendet.

Als Grundlage des ionischen Kodex dienten der französische Code civil, das Bürgerliche Gesetzbuch des Königreiches Beider Sizilien (Regno delle Due Sicilie) vom Jahre Jahre 1819 und die venezianischen Statuten (Statuta Veneta). Die Redaktoren des Bürgerlichen Gesetzbuches von Samos nahmen den französischen Code civil, das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Sachsen sowie den italienischen Codice civile vom Jahre 1865 zum Modell. Beim Bürgerlichen Gesetzbuch von Kreta vom Jahre 1903 wurde in erster Linie das deutsche BGB berücksicht. Dies zeigt sich eindeutig im Allgemeinen Teil und in der Regelung des Eigentumsrechts und des Sachenrechts (iura in re aliena).

  1. Es ist zu erwähnen, daß während der Kodifikationsarbeit auch der Gedanke aufgetaucht ist, die örtlichen (lokalen) griechischen Rechtstraditionen bzw. Rechtsgewohnheiten (consuetudines) zu berücksichtigen. Diese Auffassung vertrat vor allem der namhafte bayerische philhellene Rechtswissenschaftler, Professor an der Universität München, Georg Ludwig von Maurer (1790-1872)[73], der bei den Kodifikationsarbeiten als Berater mitgewirkt und auch für Griechenland die Entwürfe von vier Kodices (in verschiedenen Rechtsgebieten) erstellt hat[74]. Im 19. Jahrhundert galten Pavlos Kalligas (1814-1896)[75] und Petros Paparregopoulos (1817-1891)[76] als der namhafteste Anhänger der deutschen Historischen Rechtsschule in der griechischen Zivilrechtswissenschaft. Ein ebenfalls namhafter griechischer Repräsentant des pandektischen Richtung war später Konstantinos E. Polygenes(1862-1935)[77].

Der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches vom Jahre 1874 zeugt neben dem Einfluß des französischen Code civil und dem italienischen Codice civile vom Jahre 1865 auch von der Berücksichtigung des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen vom Jahre 1863/1865.

Die Balkankriege von 1912 und 1913 brachten Griechenland - durch den am 10. August 1913 in Bukarest unterzeichneten Friedensvertrag - wesentliche territoriale Zugewinne. Infolge dessen wurde die Erschaffung eines einheitlichen, auf dem gesamten Staatsgebiet anwendbaren Bürgerlichen Gesetzbuchs notwendig. (Das Gebiet von Griechenland nahm seit der Erlangung der Unabhängigkeit ab Ende der 20-er Jahre des 19. Jahrhunderts stetig zu.) Aber erst im Jahre 1946 wurden die früheren territorial beschränkten Gesetzbücher und das parallel zu ihnen gültige byzantinisch-römische Recht (ius Graeco-Romanum) durch ein einheitliches Bürgerliches Gesetzbuch für ganz Griechenland außer Kraft gesetzt.

  1. Die Arbeit der Ersten Kommission, die für die Verfertigung des einheitlichen griechischen Bürgerlichen Gesetzbuches (Astikos kodix) einberufen wurde, endete nicht mit der Annahme eines Gesetzbuches. Diese Kommission beendete ihre Arbeit im Jahre 1922. Bei der Redaktion des Entwurfes des Zivilgesetzbuches vom Jahre 1922 spielte der namhafte Zivilrechtler Georgios Mpales [geschrieben auch Balis] (1879-1957) eine maßgebliche Rolle[78]. Er wirkte an der Erarbeitung des Allgemeinen Teils, des Obligationenrechts und des Schuldrechts des Entwurfes mit.

Im Jahre 1930 wurde eine neue, aus fünf Mitgliedern bestehende Kommission aufgestellt, die mehrere Entwürfe ausgearbeitet hat. Mit der Koordinierung dieser Entwürfe wurde im Jahre 1938 ebenfalls Georgios Mpales betraut. Mpales gebührt das Verdienst, das Buch über das Erbrecht zu entwerfen. Mpales verfaßte auch die Einleitung des Entwurfes.

Der Text des Entwurfes der von Georgios Mpales geleiteten Kommission wurde schließlich der griechischen Nationalversammlung vorgelegt. Dieser im Jahre 1940 vollendete und am 15. März desselben Jahres verkündete Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches (Astikos Kodix)[79] hätte am 1. Juli 1941 in Kraft treten sollen. Dazu ist es aber wegen der Besetzung Griechenlands nicht gekommen. Der geringfügig modifizierte Entwurf der von Georgios Mpales geleiteten Kommission trat schließlich am 23. Februar 1946 als einheitliches griechisches Bürgerliches Gesetzbuch in Kraft und setzte damit das bis dahin geltende byzantinisch-römische Recht (ius Graeco-Romanum) und die parallel dazu angewandten, oben erwähnten territorial beschränkt geltenden Kodices außer Kraft[80].

Hinsichtlich seiner Struktur und der Regelung etlicher Rechtsinstitute spiegelt dieses Gesetzeswerk den Einfluß des deutschen BGB unverkennbar wider. Die Gliederung des aus fünf Büchern bestehenden Zivilrechtskodex ist die folgende: Erstes Buch: Allgemeiner Teil (Art. 1-286); Zweites Buch: Recht der Schuldverhältnisse (Art. 287-946); Drittes Buch: Sachenrecht (Art. 947-1345); Viertes Buch: Familienrecht (Art. 1346-1709); Fünftes Buch: Erbrecht (Art. 1710-2035). Die Regelung des Internationalen Privatrechts befindet sich im Zweiten Kapitel des Ersten Buches (Art. 4-33)[81].

  1. Bei der Redaktion des griechischen Bürgerlichen Gesetzbuches wurden noch der französische Code civil, das schweizerische Obligationenrecht vom Jahre 1911 und das schweizerische Zivilgesetzbuch, der Französisch-italienische Entwurf über die Obligationen und Verträge (Projet franco-italien de Code des Obligations et des Contrats) vom Jahre 1927 sowie die beiden Entwürfe eines ungarischen Zivilgesetzbuchs vom Jahre 1914 bzw. 1928 berücksichtigt. Die allgemeinen Prinzipien (Grundsätze) des griechischen Bürgerlichen Gesetzbuches entstanden im Jahre 1926, bei deren Ausarbeitung C. Triantaphyllopoulos, der in Göttingen und in Berlin studierte, eine bedeutende Rolle spielte.

In der griechischen Privatrechtswissenschaft erwarben sich im 20. Jahrhundert C. Triantaphyllopoulos (1881-1966), G.S. Maridakis[82] (1890-1979) und Pan.J. Zepos (1908-1985) als Romanisten und Zivilisten hohes Ansehen. Als renommierte Kenner des modernen Privatrechts und Repräsentanten der deutschen Pandektistik übten sie großen Einfluß auf die Erstellung des griechischen Bürgerlichen Gesetzbuches aus und beeinflußten auch die Interpretation dieses Gesetzeswerkes maßgeblich. Die Ausarbeitung bzw. Redaktion des Allgemeinen Teils des griechischen Bürgerlichen Gesetzbuches ist mit dem Namen von G.S. Maridakis verbunden, der im Jahre 1933 Mitglied der Kodifikationskommission wurde.

  1. Auf einigen Gebieten des heutigen Griechenland war der französische Code de commerce bereits vor der Erlangung der Unabhängigkeit maßgebliche Rechtsquelle (Jons iuris) im Bereich des Handelsrechts. Nach der Erlangung der Unabhängigkeit wurde im Jahre 1835 das Handelsgesetzbuch (Emporikos Kodex) des Griechischen Königreichs promulgiert. Dieses Handelsgesetzbuch war - im Einklang mit den auf den diesen Gebieten vorherrschenden Traditionen - vom französischen Code de commerce geprägt. Das zweite, auch heute mit weitgehenden Abänderungen geltende Handelsgesetzbuch Griechenlands wurde im Jahre 1874 verabschiedet. Der Kodex über das Seehandelsrecht wurde im Jahre 1958 promulgiert.

Das griechische HGB wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts mehrfach novelliert, vor allem im Bereich des Wertpapierrechts und des Konkursrechts. Gleichermaßen verhielt es sich mit den börsenrechtlichen Bestimmungen. Auch später erfolgten weitgehende Modifikationen des griechischen Handelsgesetzbuches, die teilweise durch den Beitritt Griechenlands zu den Europäischen Gemeinschaften im Jahre 1981 notwendig waren.

 

  1. Abschließende Bemerkungen
  2. Das Gemeineuropäische Privatrecht, das ius commune (privatum) Europaeum, zu erschaffen stellt für die nächsten Jahrzehnte eine der wichtigsten Herausforderungen für das zusammenwachsende Europa dar. Hervorzuheben ist, daß die Erschaffung des Gemeineuropäischen Privatrechts keineswegs auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu beschränken ist. Vorbedingung dafür ist auch die gründliche Aufarbeitung und Darstellung der gemeinsamen historischen Wurzeln der Privatrechtsordnungen der Staaten Europas. Das ius commune (privatum) Europaeum dient immer mehr auch außerhalb Europas als Vorbild für die regionale Rechtsangleichung. Diese Tendenz macht sich in erster Linie in Süd- und Zentralamerika, aber auch in Asien bemerkbar.

Die gemeinsame Grundlage des Privatrechts in Europa bildet in erster Linie das römische Recht bzw. die römischrechtliche Tradition. Diese haben im Mittelalter und in der Neuzeit die Rechtsordnung der meisten europäischen Länder geprägt - wenn auch in unterschiedlichem Maße, aber sogar die der Common law-Länder (England, Irland). Gleichermaßen bildete das römische Recht in der Neuzeit, teilweise infolge der Kolonisation, auch in vielen Gebieten bzw. Staaten außerhalb Europas die Grundlage der Privatrechtsordnung. Sogar in der Gegenwart ist das Privatrecht der meisten europäischen Staaten und einer großen Anzahl der außerhalb Europas liegenden Länder wesentlich vom römischen Recht bzw. von der römischrechtlichen Tradition beeinflußt. Diese kulturelle Identität ist aber keineswegs auf Europa beschränkt, sondern bestimmt maßgebend die juristische kulturelle Identitat vieler außereuropäischer Staaten und Regionen.

  1. Der Integrationsbedarf innerhalb der EU bezieht sich insbesondere auf die in Zentral- und Osteuropa befindlichen Reformstaaten, so auch auf Ungarn. Ungarn pflegte jahrhundertelang besonders starke Beziehungen zur Rechtsordnung der deutschsprachigen Länder. Die ungarische Rechtsordnung hatte auch außerhalb der Grenzen des historischen ungarischen Königreichs einen nicht zu unterschätzenden Einfluß. In dieser Hinsicht sei auf die Bedeutung des Tripartitum opus iuris consuetudinarii inclyti regni Hungariae, partiumque eidem annexarum von Isrván Werböczy verwiesen.

Das Fortleben und die breitgefächerte Wirkungsgeschichte des römischen Rechts soll hervorgehoben werden. Der Grund hierfür liegt einerseits darin, daß die römischrechtliche Tradition einer der Grundpfeiler der europäischen und aus historischen Gründen außereuropäischen kulturellen Identität ist. Andererseits hat die romanistische Betrachtungsweise bei der Darstellung der universalen Privatrechtsgeschichte den wohl größten Einfluß. Gerade das Fortwirken der römischrechtlichen Tradition hat dazu beigetragen, daß die europäische kulturelle Identität nicht auf Europa beschränkt blieb and bleibt.

Die Bedeutung der romanistischen Betrachtungsweise liegt ferner darin, daß es auf dem Gebiet des Privatrechts als Grundlage der Integration dient, und zwar auch in denjenigen Ländern, wie z.B. in Ungarn, in denen es nicht zur Rezeption des römischen Rechts in complexu bzw. in globo gekommen ist. Außerdem spielen das römische Recht bzw. die römischrechtliche Tradition für das im Entstehen begriffene ius commune (privatum) Europaeum zweifelsohne eine bedeutsame Rolle.

Die romanistische Betrachtungsweise ermöglicht es, die Privatrechtsordnungen der verschiedenen Länder sowohl in Europa wie außerhalb Europas aus einem gemeinsamen Blickwinkel heraus zu betrachten. Mit der Verwendung des römischen Rechts als ständigem Bezugspunkt ist auch dem wissenschaftlichen Erfordernis nach Kontinuität Genüge getan. Den geschichtlichen Traditionen kommt z.B. im bekannten Werk von René David dagegen eher nur eine sekundäre Rolle zu. Als Folge hieraus erscheint die Einteilung der nationalen Rechtsordnungen in Rechtsfamilien (familles juridiques“) unserer Meinung nach etwas überbetont. Das Außerachtlassen der im römischen Recht wurzelnden privatrechtlichen Traditionen hat unter anderem zur Anerkennung der eigenständigen „Familie“ des sozialistischen Rechts geführt. Im Zuge der Beseitigung der politischen Polarisierung der Länder der Welt im Laufe der letzten Jahrzehnte erwies sich diese Klassifikation eindeutig als überholt.


[1]. Hinsichtlich der Vorgeschichte der „Rechtsvereinheitlichung“ im Bereich des Privatrechts in der klassischen (griechisch-römischen) Antike siehe: F. Maroi: Tenderize antiche e recenti verso l’unificazone internazionale del diritto privato. Roma, 1933. S. 7 f. und 15. Zur Bedeutung des Werkes von Theophrastos Peri nomón, das im Wesentlichen ebenfalls der „Rechtsvereinheitlichung“ diente, siehe: G. Hamza: Comparative Law and Antiquity. Budapest, 1991. S. 11 ff.

[2]. Siehe: B. Großfeld - K. Bilda: Europäische Rechtsangleichung. ZfRV 33 (1992) S. 426. und H.P. Glenn: Harmonisation of Law, Foreign Law and Private International Law. ERPL 1 (1993) S. 57 ff.

[3]. Siehe: W. Tilmann: Zweiter Kodifikationsbeschluß des Europäischen Parlaments. ZEuP 3 (1995) S. 534-551.

[4]. Siehe: D. Staudenmayer: Perspektiven des Europäischen Vertragsrechts. In: Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts. (Hrsg. von R. Schulze und H. Schulte-Nölke) Tübingen, 2001. S. 429.

[5]. Über die verschiedenen Beschlüsse siehe: G. Alpa: European Community Resolutions and the Codification of “Private Law”. ERPL 8 (2000) S. 326 ff. Walter Hallstein hat bereits im Jahre 1964 auf die Möglichkeit und Notwendigkeit der Rechtsangleichung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hingewiesen. Siehe: W. Hallstein: Angleichung des Privat- und Prozeßrechts in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. RabelsZ 28 (1964) S. 211-230.

[6]. Siehe: H.J. Sonnenberger: Privatrecht und Internationales Privatrecht im künftigen Europa: Fragen und Perspektiven. PJW 48 (2002) S. 489. Siehe noch: P. Hommelhoff: Zivilrecht unter dem Einfluß europäischer Rechtsangleichung. AcP 192 (1992) S. 71-107.

[7]. O. Lando: Principles of European Contract Law. An Alternative or a Precursor of European Legislation, RabelsZ 56 (1992) S. 261 ff. Siehe noch: K.P. Berger: The Principles of European Contract Law and the Concept of „Creeping Codification of Law“. ERPL 9 (2001) S. 21-34.

[8]. In Bezug auf diese Tendenz siehe zusammenfassend aus der Literatur: G. Levi: La commercializzazione del diritto privato. Il senso dell’unificazione. Milano, 1996.

[9]. In der Redaktion von Giuseppe Gandolfi entstand der Vorentwurf des Code Européen des Contracts (Avant-projet). Siehe: Code Européen des Contrats-Avant-projet. (Ed. G. Gandolfi) Milano, 2001. Vgl. noch: G. Gandolfi: Der Vorentwurf eines Europäischen Vertragsgesetzbuches. ZEuP 10 (2002) S. 1-4.; ders.: Un Code Européen des Contrats: pourquoi et comment. In: An Academic Green Paper on European Contract Law. (Eds. S. Grundmann and J. Stuyck) Lancaster, 2002. S. 201 ff. und ders.: Il libro secondo (,Des contrats en particulier’) del „Code Européen des Contrats“. In: Scritti per G. Franciosi. II. (A cura di F.M. d’Ippolito) Napoli, 2007. S. 999-1023.

[10]. Eine Übersicht über die Arbeit und die Leistungen der Akademie von Pavia bietet Gandolfi. Siehe: G. Gandolfi: Pour un code européen des contrats. RTDCiv. 1992 S. 707 ff. Siehe noch P.G. Gaggero: Il progetto di un codice europeo dei contratti: l’attività del gruppo di lavoro pavese. RDC 43 (1997) S. 113-120. und J. Antunes Varela: Code Européen des Contrats (avant-projet) (Pavia). In: Um Código Civil para a Europa. BFDC 78 (2002).

[11]. H. McGregor: Contract Code drawn up on behalf of the English Law Commission. Milano - London, 1993.

[12]. Die Materialien über die Sitzungen der Akademie von Pavia wurden bisher in zwei Bänden veröffentlicht. Siehe: Incontro di studio su il futuro codice europeo dei contratti. Pavia. 20-21 ottobre 1990. (A cura di P. Stein) Milano, 1993. und Atti accademici 1992-1994. (A cura di P. Stein) Milano, 1996.

[13]. Über den Terminus technicus „Civil Law“ siehe: A. Berger: From „Ius Civile“ to „Civil Law“. Reflections on Terminology. In: Festschrift G. Kisch. Rechtshistorische Forschungen anläßlich des 60. Geburtstages dargebracht von Freunden, Kollegen und Schülern. Stuttgart, 1955. S. 125-146.

[14]. Über die Rolle der Rechtsvergleichung in der Europäisierung des Vertragsrechts siehe aus der neueren Literatur: M. Oudin: Un droit européen...pour quel contrat? Recherches sur les frontières du contrat en droit comparé. RIDC 59 (2007) S. 475-522.

[15]. P. Uhner: Vom deutschen zum europäischen Privatrecht. JZ 47 (1992) S. 1 ff. Skeptisch ist auch R.C. van Caenegem. Siehe: R.C. van Caenegem: European Law in the Past and the Future: Unity and Diversity over Two Millennia. New York-Cambridge, 2002.

[16]. Bezüglich der Frage der Notwendigkeit der Kodifikation in Europa siehe aus der neueren Literatur: L. Mengoni: L’Europa dei codici o un codice per l’Europa? Roma, 1993. und K. Kerameus: Problems of Drafting a European Civil Code. ERPL 5 (1997) S. 455-481.

[17]. Dies bezieht sich auch auf die Harmonisierung des Schuldrechts. Siehe: P. Schlechtriem: „Wandlungen des Schuldrechts in Europa“ - Wozu und wohin? ZEuP 10 (2002) S. 213-221. Siehe noch: U.P. Gruber: Zur Rolle der Rechtsvergleichung nach der Schuldrechtsreform. ZVglRWiss 101 (2002) S. 38-44.

[18]. Siehe aus der Literatur: J. Basedow: A Common Contract Law for the Common Market. Common Market Law Review 33 (1996) S. 1169 ff.; J.M. Quigley: European Contract Law. London, 1997.; J. Basedow: Codification of Private Law in the European Union: The Making of a Hybrid. ERPL 9 (2001) S. 35-49.; M. Castronovo: Principi di diritto europeo dei contratti. Milano, 2001.; O. Lando: Salient Features of the Principles of European Contract Law: a Comparison with the UCC. Pace International Law Review 13 (2001) S. 339 ff.; I. Vescasillas: The Formation of Contracts and the Principles of European Contract Law. Pace International Law Review 13 (2001) S. 371 ff; A. di Majo: Il contralto e l’obbligazione nei Principi. Europa e diritto privato 5 (2002) S. 883 ff.; O. Lando: Principles of European Contract Law and UNIDROIT Principles: Moving from Harmonisation to Unification. Uniforme Law Review/Revue de Droit Uniforme NS 8 (2003) S. 123-133. und M.J. Bonell: The CISG, European Contract Law and the Development of a World Contract Law. AJCL 56 (2008) S. 1-28.

[19]. Siehe: J. Lookofsky: The Harmonisation of Private and Commercial Law: “Towards a European Civil Code”. SSL 39 (2000) S. 111-121. und Chr. von Bar: Le Groupe d’études sur un Code civil européen. RIDC 53 (2001) S. 127-139.

[20]. In Bezug auf die Kompetenzfrage der Rechtsangleichung in der Europäischen Union siehe aus der neueren Literatur: S. Vogenauer - S. Weatherill: The European Community’s Competence to Pursue the Harmonisation of Contract Law -an Empirical Contribution to a Debate. In: The Harmonisation of European Contract Law: Implications for European Private Laws, Business and Legal Practice. (Ed. by S. Vogenauer and S. Weatherill) Oxford, 2006.

[21]. O. Remien: Ansätze für ein Europäisches Vertragsrecht. ZVglRWiss 87 (1988) S. 105-122.; ders.: Rechtseinheit ohne Einheitsgesetze? RabelsZ 56 (1992) S. 30. und ders.: Illusion und Realität eines europäischen Privatrechts. JZ 47 (1992) S. 277 ff. Vgl. noch R. Herber: Deutsche Zivilrechtskodifikation und internationale Rechtsvereinheitlichung. In: Rechtsdogmatik und Rechtspolitik. (Hrsg. von K. Schmidt) Berlin, 1990. S. 269.; J. Taupitz: Europäische Privatrechtsvereinheitlichung heute und morgen. Tübingen, 1993.; O. Lando: Some Features of the Law of Contracts in the Third Millennium. SSL 40 (2000) S. 343-402. und H. Schulte-Nölke: Ein Vertragsgesetzbuch für Europa: Konsequente Fortsetzung der Binnenmarktpolitik und der Einführung einer geimeinsamen Währung. JZ 56 (2001) S. 917-920.

[22]. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß man in der Literatur über ein „British ius commune“ seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts (nach der Verabschiedung des Act of Union im Jahre 1701) spricht. Siehe: A. Wijffels: A British ius commune? A Debate on the Union of the Laws of Scotland during the First Years of James VI/I’s English Reign. Edinburgh Law Review 6 (2002) S. 315-355.

[23]. W. Tilman: Kodifikation des Privatrechts in der Gemeinschaft. In: Für Recht und Staat. Festschrift für H. Helmrich zum 60. Geburtstag. München, 1994. S. 441.

[24]. Siehe zusammenfassend aus der reichen Literatur: D. Staudenmayer: The Commission Action Plan on European Contract Law. ERPL 11 (2003) S. 113-127. und ders.: The Way Forward in European Contract Law. ERPL 13 (2005) S. 95-104.

[25]. Bezüglich dieses Entwurfes, dessen Hauptredaktoren auf italienischer Seite Vittorio Scialoja (1856-1933) und auf französischer Seite Ferdinand Larnaude (1853-1942) waren, siehe aus der umfangreichen Literatur: F. Larnaude: Rapport à Monsieur le Garde des Sceaux, Ministre de la Justice sur l’unification législative entre la France et l’Italie. Paris, 1929.; ders.: L’Unification législative entre la France et l’Italie (obligations et contrats). Paris, 1930.; F. Scaduto: Osservazioni sul „Progetto di codice unico delle obbligazioni per l’Italia e la Francia. In: Circolo giuridico „L. Sampolo“. I. Palermo, 1930. S. 11 ff. und M. Rotondi; The Proposed Franco-Italian Code of Obligations. AJCL 3 (1954) S. 345 ff. Siehe noch: F. Cosentini: Code International des obligations en 3115 articles. Perfectionnement et Ampliation du Projet franco-italien de Code des Obligations et des Contrats (1927) en vue de l’unification des législations civiles et commerciales sur des bases internationales. Paris, 1937.

[26]. Siehe: R. Knütel: Rechtseinheit in Europa und römisches Recht. ZEuP 2 (1994) S. 244-276.

[27]. Siehe: P. Hommelhoff: „Europarechtliche Bezüge“ im Zivilrecht, Überlegungen zur Gestaltung des akademischen Unterrichts. In: Für Recht und Staat. Festschrift für H. Helmrich zum 60. Geburtstag. München, 1994. S. 340.

[28]. Zur Geschichte der Vertragsfreiheit siehe: W. Scherrer: Die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Vertragsfreiheit. Berlin, 1948.; J. Busche: Privatautonomie und Kontrahierungszwang. Tübingen, 1999. und A. Somma: Autonomia privata e struttura del consenso contrattuale. Aspetti storico-comparativi di una vicenda concettuale. Milano, 2000. In Bezug auf die Privatautonomie (Vertragsautonomie) im Europarecht siehe: R. Alessi: Diritto europeo e autonomia contrattuale. Palermo, 1999. Siehe noch: R. Sacco: Liberté contractuelle, volonté contractuelle. RIDC 59(2007) S. 743-760.

[29]. Über den Verbraucherschutz siehe aus der umfangreichen Literatur: Th. Bourgoignie: Éléments pour une théorie du droit de la consommation: Au regard des développements du droit belge et du droit de la Communauté Économique Européenne. Bruxelles, 1988.; D. Medicus: Wer ist ein Verbraucher? In: Festschrift für Z. Kitagawa zum 60. Geburtstag. Berlin, 1992. S. 471-486.; E. Hondius: Niederländisches Verbraucherrecht - vom Sonderrecht zum integrierten Zivilrecht. Verbraucher und Recht 11 (1996) S. 295-301.; W. Faber: Elemente verschiedener Verbraucherbegriffe in EG-Richtlinien, zwischenstaatlichen Übereinkommen und nationalem Zivil-und Kollisionsrecht. ZEuP 6 (1998) S. 854-892.; E. Hondius: Consumer Law and Private Law: the Case of Integration. In: Neues europäisches Vertragsrecht und Verbraucherschutz-Regelungskonzepte der Europäischen Union und ihre Auswirkungen auf die nationalen Rechtsordnungen. (Hrsg. von W. Heusel) Köln, 1999. S. 19-38.; A.-M. de Matos: Les contrats transfrontaliers conclus par les consommateurs au sein de l’Union Européenne. Aix-en-Provence, 2001.; W.-H. Roth: Europäischer Verbraucherschutz und BGB. JZ 56 (2001) S. 475-490.; C. Amato: Per un diritto europeo die contratti con i consumatori: Problemi e tecniche di attuazione della legislazione comunitaria nell’ordinamento italiano e nel Regno Unito. Milano, 2003.; J. Beauchard: Les principes européens du droit des contrats et le droit de la consommation. In: Études de droit de la consommation. Liber amicorum J. Calais-Auloy. Paris, 2004. S. 55-67.; M. Fontaine: La protection du consommateur et l’harmonisation du droit européen des contrats. In: Études de droit de la consommation. Liber amicorum J. Calais-Auloy. Paris, 2004. S. 385-397.; D. Mazeaud: Droit commun du contrat et droit de la consommation. Nouvelles frontières? In: Études de droit de la consommation. Liber amicorum J. Calais-Auloy. Paris, 2004. S. 697-724.; Th. Bourgoignie: Lois générales sur la protection du consommateur et code de la consommation en Europe. In: Pour une réforme du droit de la consommation au Québec. (Sous la direction F. Maniet) Cowansville (QC) 2005. S. 228.; ders.: Un droit de la consommation est-il encore nécessaire en 2006? In: Regards croisés sur les enjeux contemporains du droit de la consommation. (Sous la direction de Th. Bourgoignie) Cowansville (QC), 2006. S. 1-18.; J. Calais-Auloy - F. Steinmetz: Droit de la consommation. Paris, 20067.; J. Calais-Auloy: La notion de consommateur en droit français et en droit communautaire. In: Liber amicorum B. Stauder. Droit de la consommation -Konsumentenrecht - Consumer law. (Sous la direction de L. Thévenoz et N. Reich) Genève - Zurich - Bâle, 2006. S. 65-75. und P. Pichonnaz: La protection du consommateur en droit des contrats: le difficile équilibre entre cohérence du système contractuel et régime particulier. In: Liber amicorum B. Stauder. Droit de la consommation -Konsumentenrecht - Consumer law. (Sous la direction de L. Thévenoz et N. Reich) Genève - Zurich - Bâle, 2006. S. 323-340.

[30]. In Bezug auf die rechtsdogmatischen, rechtstheoretischen und verfassungsrechtlichen Aspekte des Gemeinschaftsrechts (droit communautaire) siehe: W. Schroeder: Das Gemeinschaftsrechtssystem. Eine Untersuchung zu den rechtsdogmatischen, rechtstheoretischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen des Systemdenkens im Europäischen Gemeinschaftsrecht. Tübingen, 2002.

[31]. In Bezug auf die Rolle des römischen Rechts im Bereich der Vereinheitlichung des internationalen Warenkaufrechts siehe: A.M. Villela: Ο direito romano e a unificaçäo das normas juridicas relativas aos contratos de compra e venda internacional de mercadorias. In: Sodalitas. Scritti in onore di A. Guarino. VII. Napoli, 1984. S. 3279-3304.

[32]. Siehe: F. Ranieri: Der europäische Jurist. Rechtshistorisches Forschungsthema und rechtspolitische Aufgabe. IC 17 (1990) S. 10 ff.

[33]. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der Richtung „antike Rechtsgeschichte“ und Rassenideologie siehe: G. Harnza: Rassenideologie und Rechtsvergleichung auf ethnischer Grundlage. Index 26 (1998) S. 421 f.

[34]. Der Begriff negotium wird im Sinne von „Rechtsgeschäft“ als erstem von Johannes Althusius (1557/1563-1638) verwendet. Der Terminus negotium juridicum wird im gleichen Sinne erst später, bei Daniel Nettelbladt (1719-1791), dem Schüler von Christian Wolff, verwendet. Das negotium juridicum ist bei Nettelbladt bedeutungsgleich mit dem actus juridicus („rechtliches Geschäft“).

[35]. Hinsichtlich des Konzepts des ius naturale bei den Römern siehe aus der neueren Literatur: G. Hamza: A természetjog értelmezésének problémái: Cicero és a ius naturale. (Die Auslegungsprobleme des Naturrechts: Cicero und das ius naturale) JK 50 (1995) S. 523-529. und ders.: Bemerkungen über den Begriff des Naturrechts bei Cicero. In: Nozione formazione e interpretazione del diritto dall’età romana alle esperienze moderne. Ricerche dedicate al Prof. F. Gallo. I. Napoli, 1997. S. 349-362.

[36]. Das Lehrbuch der Pandekten von Georg Friedrich Puchta erschien in Erstauflage im Jahre 1838. Dieses Lehrbuch wurde dreimal - zuletzt im Jahre 1845 - aufgelegt.

[37]. Siehe: A.B. Schwarz: John Austin und die deutsche Rechtswissenschaft seiner Zeit. In: Rechtsgeschichte und Gegenwart. Gesammelte Schriften und Rechtsvergleichung. Von Dr. A.B. Schwarz. (Hrsg. von H. Thieme und F. Wieacker) Karlsruhe, 1960. S. 73-92.

[38]. Der genaue Titel der Übersetzung von Lindley ist: An Introduction to the Study of Jurisprudence; Being a Translation of the General Part of Thibaut’s System des Pandekten Rechts, with Notes and Illustrations. Philadelphia, 1855.

[39]. G. Hamza: Sir Henry Maine et le droit comparé. In: Philia. Scritti per G. Franciosi. II. (A cura di F.M. d’Ippolito) Napoli, 2007. S. 1217-1232. Bezüglich Maine’s Ansicht im Hinblick auf die Rolle des Privatrechts für das Völkerrecht siehe: Sir Rowert Jennings, QC: International Law Reform und Progressive Development. In: Liber Amicorum Professor I. Seidl-Hohenveldern in Honour of his 80th Birthday. The Hague u.a. 1998. S. 327.

[40]. Siehe aus der älteren Literatur: M. Rheinstein - F. Deák: The Development of French and German Law. Georgetown Law Journal 24 (1935/1936) S. 551.

[41]. Die Vertreter der Akademie von Pavia sehen immerhin die Schwierigkeiten der Rechtsvereinheitlichung im Bereich der Vorbereitung eines Gesetzbuches für das europäische Vertragsrecht („droit européen des contrats“). Dies bezieht sich z.B. auf die Eigenart der liability des Common law. Siehe: G. Gandolfi: Fra l’“obligatio” romana e la “liability” di common law: un problema per il legislatore europeo. In: Iurisprudentia universalis. Festschrift für Th. Mayer-Maly. (Hrsg. von M.J. Schermaier, J.M. Rainer und L.C. Winkel) Köln - Weimar - Wien, 2002. S. 229-238.

[42]. Diese Ähnlichkeiten ermöglichten und ermöglichen im Richterrecht die Rechtsvereinheitlichung in der Europäischen Gemeinschaft bzw. in der Europäischen Union. Siehe: U. Everling: Rechtsvereinheitlichung durch Richterrecht in der Europäischen Gemeinschaft. RabelsZ 50 (1986) S. 193-249.

[43]. Siehe: L. Lombardi: Saggio sul diritto giurisprudenziale. Milano, 1967.

[44]. Bezüglich der Entstehung der römischen Jurisprudenz siehe: A. Földi - G. Hamza: A római jog története és insitúciói. (Geschichte und Institutionen des römischen Rechts) 13. überarbeitete und erweiterte Aufl. Budapest, 2008. S. 84 ff.

[45]. Über die Leges Henrici siehe: F. Liebermann: Über das Englische Rechtsbuch Leges Henrici. Halle a. S., 1901.

[46]. J.P. Dawson: Gifts and Promises. Continental and American Law Compared. New Haven - London, 1980.

[47]. Über die “Europäisierung” des Privatrechts im letzten Jahrzent des 20. Jahrhunderts siehe: B. Oppetit: Droit commun et droit européen. In: L’internationalisation du droit. Mélanges en l’honneur d’Y. Loussouarn. Paris, 1994. S. 311 ff. und B. Fauvarque-Cosson: Le rôle de la doctrine en droit privé européen. In: Études offertes à G. Viney. Paris, 2008. S. 419 ff.

[48]. Siehe: H.P. Glenn: La Civilisation de la Common Law. RIDC 45 (1993) S. 559-575.

[49]. Siehe: J. Gordley: Common law and civil law: eine überholte Unterscheidung. ZEuP 1 (1993) 498-518. und ders.: «Common law» v. «civil law» Una distinzione che va scomparendo? In: Scritti in onore di R. Sacco I. Milano, 1994. S. 559 ff.

[50]. Siehe: P. Gallo: La recezione dei modelli continentali nel diritto inglese delle obbligazioni. In: Scritti in onore di R. Sacco I. Milano, 1994. S. 473-494.

[51]. P. Latham: Action Required in Bridgebuilding between the Various Systems of the Civil Law and of the Common Law. In: Droit romain et identité européenne. Actes du colloque organisé les 12, 13 et 14 mai 1992 à Bruxelles. RIDA Supplément au tome 41 (1994) S. 181-184.

[52]. Hinsichtlich der Probleme bezüglich der fehlenden Tradition der Kodifikation in einem Rechtssystem, das im Common law wurzelt, siehe: P.M. North: Problems of Codification in a Common Law System. RabelsZ 46 (1982) S. 494 ff.

[53]. In Bezug auf die Notwendigkeit der Kodifikation in England siehe aus der älteren Literatur: W.G. Hart: The Need for Codifying the Law of England. The Law Magazine and Review (5th series) 36 (1910-1911) S. 129-141. Siehe noch: W. Teubner: Kodifikation und Rechtsreform in England. Berlin, 1974.

[54]. Siehe: R.C. van Caenegem: Considérations historiques sur l’unification du droit européen. In: Le Code civil français dans le droit européen. Actes du colloque sur le bicentenaire du Code civil organisé à Genève les 26-28 février 2004. (Édité par J.-Ph. Dunand et B. Winiger) Bruxelles, 2005. S. 280-286.

[55]. Siehe aus der reichen Literatur: C. De Wulf: The Trust and Corresponding Isntitutions in the Civil Law. Bruxelles, 1965. Siehe noch: B.A. Wortley: Le “trust” et ses applications modernes en droit anglais. RIDC 14 (1962) S. 699-710.

[56]. English Private Law. I-II. (Ed. by P. Birks) Oxford, 2000.

[57]. In der neueren Literatur spricht in Bezug auf die Rechtsvereinheitlichung Franz Werro von einer „légitimité culturelle“. Siehe: F. Werro: L’Unification du droit privé en Europe: une question de légitimité culturelle. In: Le Code civil français dans le droit européen. Actes du colloque sur le bicentenaire du Code civil organisé à Genève les 26-28 février 2004. (Édité par J.-Ph. Dunand et B. Winiger) Bruxelles, 2005. S. 287-301.

[58]. In Bezug auf die Allgemeinen Rechtsgrundsätze im europäischen Privatrecht siehe aus der neuesten Literatur: A. Metzger: Extra legem, intra ius: Allgemeine Rechtsgrundsätze im Europäischen Privatrecht. Tübingen, 2009.

[59]. Hier verweisen wir darauf, daß die Harmonisierungsversuche auch das Prozeßrecht erfassen. Siehe in erster Linie: Rapprochement du droit judiciaire de l’Union européenne / Approximation of Judiciary Law in the European Law. (Red. by M. Storme) Boston, 1994. Im Bereich des Handelsrechts (trade matters) beschränken sich die Harmonisierungsversuche nicht nur auf Europa. Siehe: Conference on the ALI - UNIDROIT Principles and Rules on Transnational Civil Procedure. London, 2002.

[60]. In Bezug auf die Rolle des römischen Rechts in der Rechtsangleichung bzw. Rechtsvereinheitlichung mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften siehe: G. Hamza: Az Európai Közösségek Biróságának itélkezési gyakorlata és az európai jog. (Die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften und das europäische Recht) Európai Jog 5 (2005) S. 3-10.; ders.: A Luxembourgi Biróság szerepe az európai jog egységesitésében. (Die Rolle des Gerichtshofes in Luxembourg in der Vereinheitlichung des europäischen Rechts) JK 60 (2005) S. 479-488. und ders.: Az Európai Közösségek Birósága és jogegységesités az Európai Unióban. (Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und die Rechtsvereinheitlichung in der Europäischen Union) Romániai Magyar Jogtudományi Közlöny 4 (2007) S. 55-66. Im Hinblick auf die Rolle des römischen Rechts in der Rechtsangleichung in Europa im allgemeinen siehe: G. Hamza: A római jog szerepe az európai szerzödési jog harmonizálásában. (Die Rolle des römischen Rechts in der Harmonisierung des europäischen Vertragsrechts) Európai Jog 4 (2004) S. 3-8. und ders.: Jogharmonizácio és a római jogi hagyomány. (Rechtsharmonisierung und die römischrechtliche Tradition) In: Liber amicorum. Ünnepi elöadások és tanulmányok Harmathy Attila tiszteletére. Budapest, 2007. S. 77-103.

[61]. György Zsivora nahm hohe richterliche Funktionen wahr: Im Jahre 1861 wurde er Richter an der Tabula Septetnviralis; zwischen 1869 und 1873 war er Senatspräsident an der königlichen Curia (höchster Gerichtshof in Ungarn nach dem Ausgleich im Jahre 1867). Vgl. L. Tóth: Emlékbeszéd Zsivora György felett (Gedenkrede an György Zsivora), Budapest, 1884.

[62]. István Apáthy war der Redaktor des ersten ungarischen Urheberrechtsgesetzes (Gesetz 1884:XVI).

[63]. Der im Jahre 1888 an der Budapester Universität promovierte Béla Szászy nahm in den Jahren 1889-1892 ein Extraordinariat für Kirchenrecht und Rechtsgeschichte an der Rechtsakademie der Reformierten Kirche in Kecskemét wahr. In den Jahren 1892-1894 war er Richter. Ab 1894 arbeitete er im Justizministerium. Béla Szászy war seit 1918 Leiter der Abteilung für Gesetzesvorbereitung im ungarischen Justizministerium im Range eines Staatsekretärs. Im Mai 1931 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften gewählt. Siehe: B. Kolosváry: Szászy Béla levelezö tag emlékezete (Erinnerung an das korrespondierende Mitglied Béla Szászy). Budapest, 1934; sowie K. Szladits: Szászy Béla (Béla Szászy). Budapest, 1934.

[64]. Es ist auch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß weite Teile des Privatrechts in Ungarn in Einzelgesetzen gesetzlich geregelt waren.

[65]. Siehe: G. Hamza: A modern jogrendszerek tagozódása és a római jogi tradíció (Die Gliederung der modernen Rechtssysteme und die römischrechtliche Tradition). Állam- és Jogtudomány 40 (2004) S. 1-19.

[66]. In Bezug auf die theoretischen Hintergrund siehe: L. Vékás: Az új Polgári Törvénykönyv elméleti elökérdései (Theoretische Vorfragen zum neuen Zivilgesetzbuch). Budapest, 2001.

[67]. Siehe: L. Vékás: Szükség van-e kereskedelmi magánjogra? (Ist ein Handelsprivatrecht notwendig?) Magyar Jog 44 (1998) S. 705-714.

[68]. Siehe: Magyar Közlöny (Ungarisches Amtsblatt), 2002/15: Az új Polgári törvénykönyv koncepciója. Vgl. noch L. Vékás: Az új Ptk. koncepciója és tematikája (Konzept und Thematik des neuen ungarischen ZGB) in: Magyar Közlöny különszám (Sonderausgabe des Ungarischen Amtsblattes), Budapest, 10. Februar 2003.

[69]. Siehe: Szakértöi javaslat az új Polgári Törvénykönyv tervezetéhez (Expertenvorlage eines neuen Zivilgesetzbuches für Ungarn) (Red. L. Vékás) Budapest, 2008.

[70]. Im Hinblick auf den Begriff des im Entstehen begriffenen Gemeinschaftsprivatrechts siehe aus der umfangreichen Literatur P.-Chr. Müller-Graff: Privatrecht und europäisches Gemeinschaftsrecht. Gemeinschaftsprivatrecht. Baden-Baden, 19912.

[71]. Eine eingehende Übersicht über die bisherigen Ergebnisse der Reform des ungarischen Privatrechts bieten die Artikel von Lajos Vékás, dem Vorsitzendem des Ausschusses der Neukodifizierung des ungarischen Privatrechts. Siehe L. Vékás: Über die umfangreiche Reform des ungarischen Zivilrechts. In: Gedankenaustausch zwischen deutschen und ungarischen Juristen. Konferenzbeiträge 1997-2003. Budapest, 2004. S. 418-432. und Über die anhängige Reform des ungarischen Zivilgesetzbuches. Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht 45 (2004) S. 65-73.

[72]. In der Doktrin gab es freilich auch Gegenpositionen, nach denen die separate Kodifizierung des Handelsrechts keine Daseinsberechtigung hat. Siehe hierzu: B. Grosschmid: A kereskedelmi jognak különválásáról (Über die Abspaltung des Handelsrechts). B. Grosschmid: Magánjogi tanulmányok. Budapest, 1901, S. 7l9-725. Grosschmid beruft sich vorwiegend auf das schweizerische Obligationenrecht, das bekanntlich dem monistischen Konzept folgt.

[73]. G.L. von Maurer studierte Jura in Heidelberg. Sein erstes Werk (Geschichte des altgermanischen namentlich altbayrischen öffentlich-mündlichen Gerichtsverfahrens, Heidelberg, 1824.) machte ihn allgemein bekannt.

[74]. G.L. von Maurer verbrachte die Jahre 1832-1834 als Mitglied des Regentschaftsrates, der neben dem König Otto I. tätig war, in Griechenland. Seine Tätigkeit als Redaktor der vier Kodices war von herausragender Bedeutung.

[75]. Pavlos Kalligas war Schüler von Eduard Gans und Carl Friedrich von Savigny in Berlin. Fortan studierte er Jura auch in Heidelberg. An der Universität Athen hat er Fächer wie Naturrecht, Internationales Recht, Pandektenrecht und Römisches Recht gelehrt. Sein mehrbändiges Lehrbuch System des Römischen Rechts wurde in Erstauflage im Jahre 1848 veröffentlicht. In diesem in vier Auflagen publizierten Werk nahm Kalligas auf die juristischen Traditionen in Griechenland Rücksicht (der Titel des Lehrbuches ist auf Griechisch: Systema Romaikou Dikaíou kath’a en Ellädi politeúetai). Er war Mitglied der Kommission zur Kodifikation des griechischen Zivilrechts. Kalligas hatte maßgeblich an der Erstellung des Entwurfes vom Jahre 1874 mitgewirkt.

[76]. Petros Paparregopoulos studierte Jura in München und Heidelberg. Er promovierte in Heidelberg. Ab 1845 hatte er ein Ordinariat für Römisches und Byzantinisches Recht an der Universität Athen inne. Im Jahre 1848 wurde er Mitglied der Gesetzgebungskommission, die mit der Ausarbeitung des Entwurfes eines Zivilgesetzbuches für Griechenland beauftragt wurde. Sein das Schuldrecht behandelndes Lehrbuch (auf Griechisch: Enochikón Díkaion) wurde mehrfach aufgelegt. Seine Werke System des in Griechenland gültigen römischen Rechts außer den Ionischen Inseln (auf Griechisch: Systema Romaikoú dikaíou kath’a en Elládi politeúetai plen ton Iopnion néson) und Das in Griechenland außer den Ionischen Inseln gültige Zivilrecht (auf Griechisch: To en Ellädi plen ton Ionion Néson ischyon Astikón Dikaion) waren weitgehend auch in der Gerichtspraxis angewandt.

[77]. Konstantinos E. Polygenes studierte Jura an der Universität Athen. Er setzte sein Rechtsstudium an deutschen Universitäten fort. Polygenes war auch Schüler von Bernhard Windscheid. Als Nachfolger von Petros Paparregopoulos hatte er das Ordinariat für Römisches und Byzantinisches Recht an der Universität Athen ab 1895 inne. Polygenes hatte das Lehrbuch des Pandektenrechts von Windscheid ins Griechische übersetzt. Es ging dabei um eine mit auf die griechische Gesetzgebung und Jurisprudenz bezogenen Zusätzen bzw. Kommentaren ergänzte Übersetzung. Das ins Griechische übersetzte Lehrbuch von Windscheid (der Titel auf Griechisch: Didaskalia tau dikaiou ton Pandekton) wurde mehrfach aufgelegt.

[78]. Georgios Mpales (Balis) studierte Jura in Athen und in Berlin. Ab 1925 hatte er das Ordinariat für Zivilrecht an der Universität Athen inne. Er verfaßte die Kommentare zum griechischen Zivilgesetzbuch, die in der Auslegung dieses Gesetzeswerkes ausschlaggebende Rolle spielten und spielen. Seine Kommentare sind auch für die griechische Zivilrechtswissenschaft von großer Bedeutung.

[79]. Gesetz no. 2250 vom 15. März 1940.

[80]. Hier verweisen wir darauf, daß die Kirchengerichte des Ökumenischen Patriarchats mit Sitz in Konstantinopel (Istanbul) die Hexabibios von Konstantinos Harmenopoulos bis zum Jahre 1923 als geltendes Recht angewandt haben.

[81]. Hier verweisen wir darauf, daß die im Jahre 1971 in Kraft gesetzte neue Zivilprozeßordnung und die Verfassung vom Jahre 1975 einige Artikel des Bürgerlichen Gesetzbuches modifiziert bzw. außer Kraft gesetzt haben.

[82]. G.S. Maridakis war ab dem Jahre 1933 als Mitglied der Kodifikationskommission tätig. Er war zuständig für die Redaktion des Allgemeinen Teils des Entwurfs des griechischen BGB.