Digesta OnLine 2014 |
KONTOKORRENTABREDE UND SALDOANERKENNTNIS1
von
Professor Dr. Horst Ehmann, Trier
Για να ανοίξετε το άρθρο σε μορφή pdf πατήστε εδώ
1. Zahlung ohne Kontokorrentabrede mit Tilgungsbestimmung, § 366 Abs. 1
2. Zahlung ohne Kontokorrentabrede und ohne Tilgungsbestimmung, § 366 Abs. 2
II. Von der „offenen Rechnung“ zur Kontokorrentabrede
1. Was berechtigt zu Kontokorrent-Verrechnung?
2. Inhalt der Kontokorrentabrede und dispositives Recht
III. Wirkung der Kontokorrenteinstellung.
1. „Lähmung“ der Einzelforderungen
2. Verjährung/Stundung/Verzug
3. Beendigung des Kontokorrentverhältnisses
4. Vereinfachungs-, Vereinheitlichungs- und Sicherungsfunktion
IV. Die verschiedenen Verrechnungsmethoden
1. Staffelkontokorrent, siehe nochmals Schaubild 1
2. Periodenkontokorrent
a) Verrechnungsmethode der deutschen Rechtsprechung
b) Verrechnungsmethode entsprechend §§ 366, 396 BGB
c) Vor- und Nachteile, Praktikabilität und abweichende Vereinbarungen
V. Abstraktes Saldoanerkenntnis/Novation.
1. Rechtsnatur des Anerkenntnisses
2. Zweck des Saldoanerkenntnisses
2. Novation
VI. Gesicherte Forderungen und deren Sicherheiten
1. Allgemeine Grundsätze
2. Die Regelung des § 356 HGB
a) Gesetzlicher Ausschluss der Novationswirkung für die gesicherten Forderungen
b) Obsolet gewordene Regelung
c) Rspr.: Haftung der Sicherheiten für den niedrigsten anerkannten Saldo
dazu Beispiel 2 mit Schaubild
d) Gesamtschuldner und ausscheidende Gesellschafter
e) Mehrere gesicherte Forderungen
VI. Zusammenfassung
1. Kontokorrentabrede als Voraussetzung der Kontokorrentverrechnung
2. Inhalt der Kontokorrentabrede
2. Verfügungsbeschränkungen aufgrund der Kontokorrentabrede
3. Antizipierte Verrechnungsvereinbarung
4. Verpflichtung zu Saldoanerkenntnis und Saldoverzinsung
5. Sicherheiten für Einzelforderungen und Saldossicherheiten
I. Was ist ein Kontokorrent? (siehe Beispiel 1 mit Schaubild)
Ein Kontokorrent ist ein System zur Vereinfachung der Tilgung mehrerer gegenseitiger Forderungen zweier Personen (nicht notwendig Kaufleute), das auf einer Kontokorrentabrede beruht. Die gegenseitigen Forderungen werden in eine laufende Rechnung (ital. conto corrente) eingestellt und sollen nicht mehr einzeln erfüllt oder einzeln gegeneinander aufgerechnet, auch nicht mehr an Dritte abgetreten, sondern am Ende einer Verrechnungsperiode miteinander verrechnet werden. Es gibt verschieden Methoden zu dieser Verrechnung; welche anzuwenden ist, bestimmt sich nach der Kontokorrentabrede der Parteien. Am einfachsten ist es, alle ins Kontokorrent gestellten Forderungen als gleichrangig zu betrachten und verhältnismäßig zu tilgen derart, dass die Forderungen beider Seiten zusammengezählt und die kleinere von der größeren Summe abgezogen wird. Die Differenz wird (kausale) Saldoforderung genannt. Mit dieser Verrechnung sind die verrechneten Forderungen erloschen, soweit sie sich decken. Damit sind alle Forderungen des Saldoschuldners erloschen und die Forderungen des Saldogläubigers in dem Verhältnis, in welchem die Summe der Forderungen des Saldogläubigers zur Summe der Forderungen des Saldoschuldners stehen, im Beispiel 1 also je zur Hälfte. Der Saldogläubiger ist berechtigt, vom Saldoschuldner die Anerkennung dieser Schuld in Form eines Saldoanerkenntnisses (§ 781) und die Erfüllung dieser Schuld zu verlangen. Das Saldoanerkenntnis wird im Zweifel erfüllungshalber erteilt (§ 364 II). Von der Saldoforderung können ab ihrer Entstehung durch die Verrechnung Zinsen verlangt werden, auch insoweit darin aufgelaufene Zinsen aus zinspflichtigen Einzelforderungen stecken (Zinses-Zinsen); das Zinseszinsverbot des § 248 BGB wird in Deutschland aufgehoben durch § 355 HGB, wenn zumindest ein Beteiligter Kaufmann ist. Erfüllt der Saldoschuldner die Saldoforderung nebst Zinsen, so sind alle Forderungen erloschen. In der Kontokorrentabrede kann vereinbart werden, dass die Saldoforderung zur Verrechnung in das Kontokorrent der nachfolgenden Verrechnungsperiode einzustellen ist.
Solche und ähnliche Kontokorrentverrechnungen soll es schon im alten Babylon und im alten Ägypten gegeben haben, sicherlich auch im alten Griechenland und jedenfalls im alten Rom2. Das ist leicht verständlich, weil es in jenen Zeiten noch kein Papiergeld und kein Buchgeld oder Computergeld gab und es höchst gefährlich war, Säcke voll Gold und Silber über weitere Strecken zu transportieren. Zwischenzeitlich wurde in Europa dieses Zahlungssystem und noch einiges andere wieder vergessen, aber im Mittelalter verbreiteten sich die Kontokorrentabrechnungen von den oberitalienischen Städten her wieder über Europa und die ganze Welt. Diese mittelalterliche Verbreitung des Kontokorrentsystems stand wohl im Zusammenhang mit der damals entwickelten doppelten Buchführung3, welche bekanntlich die Grundlage bildet für das liberalistisch-kapitalistische Wirtschaftssystem, welches heute die ganze Welt beherrscht. Ein Kapitalist braucht eine Bilanz und dazu eine geordnete Buchführung, weil er sonst nicht erkennen kann, was er verdient und wie seine wirtschaftliche Lage ist4.
Ich will aber heute nur über das Kontokorrent sprechen und die Funktionen dieses Abrechnungssystems an einem Beispiel verdeutlichen.
Beispiel 1: Erfüllung und Aufrechnung mehrerer Forderungen ohne Kontokorrentabrede:
Zwischen E und C bestehen die im nachstehenden Schaubild durch Pfeile gekennzeichneten Forderungen. FoE1 ist durch eine Bürgschaft des B gesichert. Die anderen Forderungen sind unsicher im Sinne des § 366 II im Maße ihrer verschiedenen Verjährungszeiten.
Saldoforderung : 884 € – 442 €= 442 €
Frage 1: Zahlung ohne Kontokorrentabrede
Am 30.12.2010 bezahlt C an E 242.- €. Welche Forderung wird mit dieser Zahlung erfüllt? Vgl. § 366 Abs. 1 und 2.
Antworten:
1. Zahlung ohne Kontokorrentabrede mit Tilgungsbestimmung, § 366 Abs. 1
Bestehen mehrere Forderungen und reicht die Zahlung nicht aus, alle Forderungen zu erfüllen, so wird gemäß § 366 I die Forderung erfüllt, die der Schuldner bestimmt. Das gilt aber nur, wenn der Gläubiger diese Zweckbestimmung des Schuldners akzeptiert. Will der Gläubiger die Zahlung jedoch nicht als Erfüllung, sondern z.B. als Schenkung oder zwar zur Erfüllung, aber zur Erfüllung einer anderen Forderung annehmen, so tritt keine Erfüllung ein und dem Schuldner steht in Höhe der Zahlung ein Bereicherungsanspruch (§ 812 I 1) gegen den Gläubiger zu. Gegen den Bereicherungsanspruch kann der Gläubiger jedoch nicht mit der Forderung aufrechnen, die er mit der Zahlung erfüllt haben möchte, weil ansonsten das Bestimmungsrecht dem Gläubiger zustünde, was mit § 366 I nicht zu vereinbaren ist5.
In der Zahlung von 242 € kann die konkludente Erklärung liegen, FoE1 erfüllen zu wollen, akzeptiert der Gläubiger diese Zweckbestimmung, so ist FoE1 erfüllt; widerspricht der Gläubiger dieser Tilgungsbestimmung, weil er die Zahlung zur Erfüllung von Fo E2+3 annehmen will, die am Jahresende verjähren, so ist keine Forderung erfüllt worden, vielmehr ein Bereicherungsanspruch des C auf Rückzahlung seiner Erfüllungsleistung entstanden.
2. Zahlung ohne Kontokorrentabrede und ohne Tilgungsbestimmung, § 366 Abs. 2
Trifft der Schuldner keine Tilgungsbestimmung und reicht seine Zahlung nicht zur Erfüllung aller gegen ihn gerichteten Forderungen des Gläubigers aus, so werden die Forderungen in der Rangfolge des § 366 Abs. 2 erfüllt: 1. die fälligen Schulden; 2. unter den fälligen zuerst diejenigen, die dem Gläubiger geringere Sicherheit bieten, das sind zunächst diejenigen, die nicht durch eine Bürgschaft, ein Pfandrecht oder sonstige Sicherungsleistung gesichert sind und unter den nicht gesicherten diejenigen, die zuerst verjähren; 3. unter gleich sicheren die dem Schuldner lästigeren, das sind z.B. diejenigen, die höher verzinslich sind; 4. unter gleich lästigen die älteren; 5. schließlich sollen gleich alte verhältnismäßig getilgt werden. Hätte C also keine Tilgungsbestimmung getroffen, so hätten zuerst FoE2+3 (180+304 =484)getilgt werden müssen, weil diese zu verjähren drohen und also am unsichersten sind, weil beide zur selben Zeit verjähren, beide verhältnismäßig, also je zur Hälfte, weil die Zahlungen die Hälfte deren Summe bildet; allgemein: 180+304 = 484 und 484 : 242 = 2 : 1. Die FoE2+3 bestehen also noch in Höhe von 90+152. Auch weitere Zahlungen des C ohne Tilgungsbestimmungen müssten zunächst mit den bestehen gebliebenen Resten von FoE2+3 aufgerechnet werden und erst nach deren vollständigen Tilgung auf die FoE1. Die Regelung des § 366 Abs. 2 kommt jedoch nicht zur Anwendung, wenn C eine Tilgungsbestimmung getroffen, aber E diese nicht angenommen hat, vielmehr bleiben dann alle Forderungen bestehen und es entsteht eine Bereicherungsforderung auf Rückzahlung zu Gunsten des C.
Frage 2 zu Beispiel 1: Aufrechnung ohne Kontokorrentabrede, § 396
Statt zu zahlen erklärt C am 30. 12. 2010 per Einschreiben dem E, dass er mit seinen FoC2+3 (120+122) gegen FoE1 (242) aufrechne. Welche Forderungen sind erloschen,
a) wenn E auf das Schreiben nicht antwortet?
b) wenn E unverzüglich erwidert, dass er mit dieser Aufrechnung nicht einverstanden sei und mit seinen Forderungen E2+3 (180+304=484) gegen die Forderungen C1+2+3 (200+120+122= 442) aufrechne? Vgl. §§ 396, 366 II.
Antwort zu Frage 2: Aufrechnung ohne Kontokorrentabrede, § 396
Erkennt C am Ende des Jahres, dass seine Forderungen C2+3 (120 + 122 = 242) zu verjähren drohen und rechnet er mit diesen Forderungen gegen die durch Bürgschaft gesicherte FoE1 (242) auf, so erlöschen diese drei Forderungen, wenn E nicht gemäß § 396 unverzüglich widerspricht. Widerspricht E jedoch der Aufrechnungsbestimmung des C, so kommt gem. § 396 die Regelung des § 366 Abs. 2 zur Anwendung und es werden vorrangig die gleichfalls am Ende des Jahres verjährenden FoE3+4 (180+304= 484) je zur Hälfte getilgt und nicht die durch Bürgschaft gesicherte FoE1. Anders als bei der Erfüllung kommt also die Regelung des § 366 Abs. 2 bei der Aufrechnung auch dann zur Anwendung, wenn Gläubiger und Schuldner sich über die Tilgungsbestimmung nicht einig sind. Die unterschiedliche Regelung ist in der Tatsache begründet, dass die Aufrechnung im Unterschied zur Erfüllung ein einseitiges Rechtsgeschäft und eine Art privater Zwangsvollstreckung ist, die daher keinen Konsens der Parteien voraussetzt. Will E verhindern, dass die Forderungen FoE3+4 (180 +304= 484), soweit sie noch bestehen (484:2= 242), nicht am Jahresende verjähren, so muss er sie gegen die noch bestehende FoC1 (200) aufrechnen und bezüglich der restlichen 42 € die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung herbeiführen (Klageerhebung, Mahnbescheid, Anerkennung des C).
Frage 3 zu Beispiel 1: Welche Forderungen werden erfüllt, wenn zwischen E und C eine Kontokorrentabrede besteht, aufgrund welcher am 31.12.2010 alle Forderungen gegeneinander verrechnet werden sollen?
Um diese Frage beantworten zu können, muss man wissen, was in der Kontokorrentabrede steht oder stehen sollte. Die einfachste Verrechnungsart habe ich eingangs schon genannt: Alle Forderungen beider Seiten werden zusammengezählt und die kleinere von der größeren Summe abgezogen. Die Differenz bildet die Saldoforderung. Alle Forderungen des Saldoschuldners sind damit erloschen, die Forderungen des Saldogläubigers sind verhältnismäßig erloschen, im Beispiel 1 je zur Hälfte. Wenn der Saldoschuldner die Saldoforderung bezahlt, sind alle Forderungen erloschenen. Nach dieser Methode kann man verrechnen, man kann aber auch anders verrechnen. Wie zu berechnen ist bestimmt sich nach der Vereinbarung der Parteien in der Kontokorrentabrede, gesetzliche Vorschriften dafür gibt es nicht. Die § 366, 367, 306 können allenfalls entsprechende Anwendung finden.
II. Von der „offenen Rechnung“ zur Kontokorrentabrede
1. Was berechtigt zu Kontokorrent-Verrechnung?
Eine Kontokorrentverrechnung setzt eine Kontokorrentabrede voraus, sie bildet die rechtliche Voraussetzung für diese Art vereinfachter Forderungstilgung. Lässt eine Hausfrau im Supermarkt, wo sie ihre tägliche Einkäufe macht des Öfteren „aufschreiben“, so liegt mangels einer Kontokorrentabrede keine „laufende“, sondern eine sog. „offene Rechnung“ vor, die nicht die Wirkung eines Kontokorrents entfaltet, vielmehr die Einzelforderungen unverändert bestehen lässt; entsprechendes gilt wenn der „Hausmann“ in seiner Stammkneipe auch des Öfteren „anschreiben“ lässt und gelegentlich durch Küchendienste oder Zahlungen Gegenforderungen oder Gegenleistungen einbringt. Wenn ein Handwerker seine Materialien, die er zur Erledigung seiner Aufträge braucht, stets bei einem Großhändler kauft und auch aufschreiben lässt und erst bezahlt, wenn er nach Erledigung seiner Aufträge seinen Werklohn erhält, so ist auch dies nur eine „offene Rechnung“, solange keine Kontokorrentabrede getroffen wird.
Eine Kontokorrentverrechnung (statt Einzelerfüllung) setzt laufende Geschäftsbeziehungen und eine Kontokorrentabrede voraus. In der Regel sind die laufenden Geschäftsbeziehungen vertraglich geordnet, z.B. in Fällen eines Girovertrags mit einer Bank, eines Handelsvertretervertrags, eines Gesellschaftsvertrags zwischen verschiedenen Gesellschaftern. Bestehen solche „Geschäftsverträge“, so enthalten sie in der Regel eine Verpflichtung zum Abschluss einer Kontokorrentabrede. Im Verhältnis zwischen Groß- und einem Einzelhändlern bestehen allerdings häufig nur rein faktische Geschäftsbeziehungen und keine förmlichen „Geschäftsverträge“, trotzdem kann aber zwischen solchen Händlern auch eine wirksame Kontokorrentabrede abgeschlossen werden.
2. Inhalt der Kontokorrentabrede und dispositives Recht
Die Rechtsfragen des Kontokorrents sind in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung sehr umstritten. Der Grund dafür liegt ganz einfach darin, dass die Rechtswirkungen des Kontokorrents nur auf vertraglicher Grundlage eintreten können, dass aber die Parteien bei der Verabredung eines Kontokorrents häufig sich nur darüber verständigen, dass eine Kontokorrentverrechnung stattfinden soll, aber nicht darüber, in welcher Weise dies im einzelnen geschehen soll. In vielen Ländern gibt es aber gar keine (in Griechenland) oder nur unzulängliche (in Deutschland6) gesetzlichen Regelungen des dispositiven Rechts, die für solche Fälle zur Geltung kommen könnten. Die Gerichte müssen daher ohne gesetzliche und ohne hinreichende vertragliche Regelungen im Wege ergänzender Vertragsauslegung (§§ 133, 157) entscheiden, was redliche Parteien gewollt haben würden, wenn sie bei Vertragsschluss das auftretende Problem bedacht haben würden7. In solchen Fällen ist man bei Gericht aber wie auf hoher See: in Gottes Hand. Daher sollten die Kontokorrentpartner, die ihre gemeinsamen Forderungen kontokorrentmäßig abrechnen wollen, die wichtigsten dabei auftretenden Rechtsfragen in der Kontokorrentabrede vertraglich möglichst genau festlegen; insbes. 1. welche Forderungen ins Kontokorrent gestellt werden sollen; 2. die Rechtswirkung der Einstellung der Forderungen in das Kontokorrent; 3. Staffel- oder Periodenkontokorrent und im Falle des Periodenkontokorrent dessen Verrechnungsmethode (verhältnismäßig oder entspr.§ 366 II); 4. die Verpflichtung des Saldoschuldners, die durch Verrechnung ermittelte Saldoforderung erfüllungshalber gem. § 364 II anzuerkennen (Saldoanerkenntnis gem. § 781); 5. die Höhe der Verzinsung der Saldoforderung; 6. Klarstellung des Fortbestands der für noch nicht getilgte Einzelforderungen bestellten Sicherheiten; erforderlichenfalls einen Forderungsaustausch der gesicherten Einzelforderungen mit den entstehenden Saldoforderungen. Vgl. dazu den beiliegenden Musterentwurf einer Kontokorrentabrede.
III. Rechtswirkungen der Kontokorrenteinstellung
1. „Lähmung“ der Einzelforderungen
Es sollten möglichst alle Geldforderungen aus einer laufenden Geschäftsbeziehung ins Kontokorrent gestellt werden8, damit alle Forderungen zur Verrechnung mit den Gegenforderungen des anderen Teiles zur Verfügung stehen. Die Einstellung der aus einer Geschäftsbeziehung hervorgegangenen Geldforderungen in das Kontokorrent hat folgende rechtliche Wirkungen9:
Diese Wirkungen der Kontokorrenteinstellung werden unjuristisch oft als „Lähmung“ der Einzelforderungen bezeichnet und sind rechtlich als Abtretungsverbote und sonstige Verfügungsbeschränkungen zu begreifen, welche die einzelnen Forderungen zur Verrechnung mit den Gegenforderungen des anderen sichern sollen (Sicherungsfunktion des Kontokorrents, vergleichbar der Sicherungsfunktion der Aufrechnungslage gem. §§ 389, 390 S.2 a.F.; § 215 n. F.)
2. Verjährung/Stundung/Verzug
Die Verjährung einer ins Kontokorrent eingestellten Einzelforderung ist nach § 205 BGB gehemmt10, die Verjährungsfrist wird also durch die Einstellung unterbrochen. Die Einstellung bewirkt jedoch keine Stundung11. Wenn gesagt wird, der Schuldner einer Kontokorrentforderung könne mit dieser Einzelforderungen nicht in Verzug geraten12, so ist das zwar richtig, weil er ja nicht erfüllen kann, aber es ist doch missverständlich, weil der Schuldner, wenn für ihn im Kontokorrent ein Debet entsteht und ihm dafür kein Kredit eingeräumt wurde, zu dessen Ausgleichung verpflichtet ist und er daher hinsichtlich dieser Zwischensaldo-Forderung mit der Folge von Verzugszinsen auch in Verzug geraten kann13.
3. Beendigung des Kontokorrentverhältnisses
Die Kontokorrentabrede kann als eine Art Dauerschuldverhältnis jederzeit vertraglich aufgehoben werden oder auch gem. § 355 III jederzeit gekündigt werden, sofern nicht vertraglich Kündigungsfristen vereinbart wurden. Die Aufhebung des Kontokorrents braucht nicht unbedingt ausdrücklich, kann vielmehr auch konkludent erfolgen, wofür aber das zeitweilige Ruhen des Kontos, wenn keine Buchungen angefallen sind, nicht genügen soll14. Grundsätzlich wird jede Kontokorrentabrede auch mit der Beendigung des dieser Abrede zu Grunde liegenden Geschäftsvertrags (z.B. des Handelsvertretervertrags) beendet15. Das Kontokorrentverhältnis kann aber auch unabhängig vom Fortbestehen der laufenden Geschäftsbeziehung und des Geschäftsvertrags gekündigt werden16. Aufgrund der Kündigung des Kontokorrents entsteht ein letzter (kausaler17) Saldoanspruch, der nach § 355 I HGB noch vom Zinses-Zinsverbot befreit ist. Darüber hinaus fortgeführte Saldierungen unterliegen dann aber dem Zinseszinsverbot18. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Kontokorrentpartners erlischt das Kontokorrentverhältnis ipso jure; es wird entsprechend § 355 III ein kausaler Saldo gebildet. Besteht der Überschuss zu Gunsten des Vertragspartners des Insolvenzschuldners, so stellt die Saldoforderung eine Insolvenzforderung im Sinne des §§ 38 InsO dar19.
4. Vereinfachungs-, Vereinheitlichungs- und Sicherungsfunktion
Das Kontokorrent hat Vereinfachungs-, Vereinheitlichungs- und Sicherungsfunktion. Die Vereinheitlichungsfunktion kommt in der Zusammenfassung aller gegeneinander stehenden Forderungen in einer einheitlichen Saldoforderung zum Ausdruck. Die Sicherungsfunktion besteht vor allem in den dargestellten Verfügungsbeschränkungen über die Einzelforderungen, die dem Zweck dienen, jedem Kontokorrentpartner möglichst alle Ansprüche des anderen gegen ihn zur Verrechnung seiner eigenen Forderungen vorrangig zur Verfügung zu stellen. Die Vereinfachungsfunktion besteht schließlich darin, dass mit der Verrechnung und der Erfüllung der dadurch entstandenen Saldoforderung alle Forderungen erlöschen, soweit sie sich decken; im übrigen werden die durch die Verrechnung nicht getilgten restlichen Einzelforderungen des Saldogläubigers erfüllt, wenn die Saldoforderung erfüllt wird. Dieses System erspart die Erfüllung oder Aufrechnung jeder einzelnen Forderung und hat daher vor allem Vereinfachungsfunktion.
IV. Die verschiedenen Verrechnungsmethoden
Es gibt verschiedene Methoden wie mehrere gegeneinander stehende Forderungen miteinander verrechnet werden können. In groben Linien habe ich in vereinfachter Form die Methode der deutschen Rechtsprechung am Beispiel 1 schon dargelegt und will jetzt die drei wichtigsten Methoden vorstellen und deren Verschiedenheiten am Beispiel verdeutlichen. Welche Methode anzuwenden ist, bestimmt sich nach der in der Kontokorrentabrede enthaltenen „antizipierten Verrechnungsvereinbarung“, die letztlich eine Art „massenhafter Aufrechnung“ ist, in welcher eine Vielzahl gegeneinander stehender Forderungen miteinander verrechnet werden und insoweit erlöschen, als sie sich decken20.
1. Staffelkontokorrent, siehe nochmals Schaubild 1
Wird ein Staffelkontokorrent vereinbart, so werden die Forderungen gewissermaßen als fortlaufende Aufrechnung in der Reihenfolge miteinander verrechnet, in der sie entstehen und in das Kontokorrent eingestellt werden21. Im Schaubild des Beispiel 1 würde also FoE1 mit dem Entstehen von FoC 1 bis auf 42 € automatisch verrechnet und getilgt und mit Entstehen von FoE 2 entstünde zu Gunsten von E ein Saldo in Höhe von 222 € usw. Die Rangfolge der Tilgung ist im Falle eines Staffelkontokorrent also vom Entstehen der Forderungen abhängig; wäre die gesicherte Forderung E1 als letzte entstanden, so würde sie als gesicherte Forderung noch fortbestehen. In der Praxis bietet das Staffelkontokorrent eine seltene Ausnahme (vgl. § 19 IV DepotG). Nach § 355 HGB entsteht in Deutschland aufgrund einer Kontokorrentabrede im Zweifel ein Periodenkontokorrent, ein Staffelkontokorrent bedarf also ausdrücklicher Vereinbarung.
Das Bankenkontokorrent zur Abrechnung von Girokonten ist mit großem Abstand das in der Praxis wichtigste Kontokorrent, ist aber kein Staffelkontokorrent, sondern ein Periodenkontokorrent, obwohl in der Regel Tagessalden gebildet werden, die aber nur der Information des Bankkunden dienen22. Dieses Bankenkontokorrent bildet auch insofern eine Besonderheit als die Bankkunden stets über ihr Konto verfügen können, sofern es einen positiven Saldo aufweist; im Falle eines negativen Saldos aber nur, wenn ihnen ein Überziehungskredit eingeräumt wurde23.
2. Periodenkontokorrent
In Deutschland gilt mangels einer anderen Vereinbarung kraft des dispositiven Rechts des § 355 HGB im Zweifel ein Periodenkontokorrent als vereinbart, das jährlich abzurechnen ist; meist wird aber halb- oder vierteljährliche Abrechnung vereinbart. Wenn zwischen den Kontokorrentparteien ein reger Geschäftsverkehr herrscht, können am Ende einer Abrechnungsperiode sich hunderte oder gar tausende Forderungen gegenüberstehen und in solchen Fällen werden selten oder nie die gegenseitigen Forderungen sich vollständig decken und also ausgleichen, sondern zumeist ein Überschuss zu Gunsten des einen oder anderen bestehen. Wegen der Verschiedenheiten der Einzelforderungen in Bezug auf Sicherheiten, Verjährung, Erfüllungsort, Gerichtsstand usw. entsteht die Frage, ob diese Verschiedenheiten bei der Verrechnung beachtet oder alle Forderungen als gleichrangig verhältnismäßig getilgt werden sollen.
a) Verrechnungsmethode der deutschen Rechtsprechung
Die deutsche Rspr. betrachtet grundsätzlich alle Forderungen als gleichrangig und nimmt also, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, eine verhältnismäßige Tilgung der Forderungen des Saldogläubigers an in dem Verhältnis, in welchem die Gesamtforderungen des Saldogläubigers zu den Gesamtforderungen des Saldoschuldners stehen24. Die im Kontokorrent stehenden Forderungen sind also erloschen, soweit sie sich decken25. Es sind also alle Forderungen des Saldoschuldners erloschen und die Forderungen des Saldogläubigers verhältnismäßig im Verhältnis der Gesamtforderungen des Saldogläubigers zu den Gesamtforderungen des Saldoschuldners. Wenn also wie in Beispiel 1 die Gesamtforderungen des Saldoschuldners nur die Hälfte seiner Verbindlichkeiten decken, so ist jede einzelne Forderung des Saldogläubigers zur Hälfte getilgt26; auch die mit einer Bürgschaft gesicherte FoE1 wird also zur Hälfte getilgt und besteht nur noch in Höhe von 121 €, für welche die Bürgschaft bestehen bleibt (§ 767). Die deutsche Rspr. erkennt jedoch an, dass die Parteien eine von dieser verhältnismäßigen Tilgung abweichende Tilgungsbestimmung vereinbaren können, lässt dazu aber zu Recht eine einseitige Tilgungsbestimmung nicht ausreichen, verlangt vielmehr einen ausdrücklichen oder aus den Umständen klar ersichtlichen Konsens der Parteien. Es steht den Parteien demnach also frei zu vereinbaren, dass die durch eine Bürgschaft gesicherte Schuld vorrangig getilgt werden soll27.
b) Verrechnungsmethode entsprechend §§ 366, 396 BGB
In der deutschen handelsrechtlichen Literatur wird demgegenüber empfohlen, die Verrechnung entsprechend den Regeln der §§ 366 II, 367, 396 vorzunehmen28. Nach dieser Methode würden also im Beispiel 1 nicht alle Forderungen des E je zur Hälfte getilgt, vielmehr würde danach die FoE1, weil sie gesichert ist, ganz bestehen bleiben und die Forderungen des C in Höhe von insgesamt 442 € (200+ 120+ 122) würden zunächst auf die nicht gesicherten FoE2-4 (180+304+158) verrechnet, wobei es gleichgültig ist, ob die Verrechnung zunächst auf die Fo2+3 (180+304) erfolgt, oder verhältnismäßig auf sämtliche ungesicherte Forderungen des E (FoE 2, 3 u. 4), weil die Verjährung für alle im Kontokorrent stehenden Forderungen gehemmt ist und daher praktisch keine Rolle mehr spielt29. Der wesentliche Unterschied der beiden verschiedenen Verrechnungsmethoden besteht also darin, dass die nicht durch Bürgschaft, Pfandrecht, Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung oder andere Sicherheiten gesicherten Forderungen vorrangig getilgt werden. Für den Saldogläubiger (in der Praxis ist dies zumeist eine Bank) ist es von Vorteil, wenn er die gesicherte Forderung behält, für den Saldoschuldner aber u.U. von Nachteil, wenn er dem Bürgen (in der Praxis ist dies oft ein Familienangehöriger oder ein Freund) die baldige Tilgung der gesicherten Forderung versprochen hat. Außer der Sicherheit sind die anderen Kriterien des § 366 II im Falle der Kontokorrent-Verrechnung in der Praxis nicht von großer Bedeutung, weil die Verjährung durch die Einstellung ins Kontokorrent gehemmt ist und insoweit das Alter keine Rolle spielt und die kürzer verjährenden deswegen auch nicht weniger lästig sind. Eine höher verzinsliche Forderung ist aber lästiger und muss daher gemäß § 366 II vorrangig vor anderen gleich sicheren getilgt werden, was gut für den Schuldner, aber weniger gut für den Gläubiger ist, es aber jedenfalls erforderlich macht bei der Verrechnung nach § 366 II auch die verschiedene Zinshöhe der einzelnen Forderungen zu berücksichtigen.
c) Vor- und Nachteile, Praktikabilität und abweichende Vereinbarungen
Jede der beiden Methoden hat je nach Fallgestaltung Vorteile für den einen und Nachteile für den anderen; im allgemeinen dürfte, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben, die Regelung des § 366 II zwar einen vorzugswürdigen Interessenausgleich bieten, doch ist sie wohl im Massengeschäft arbeitsaufwendiger30, weswegen in der Praxis die verhältnismäßige Tilgung üblich geworden ist. Die an der Praxis orientierte Rechtsprechung kann daher im Regelfall akzeptiert werden, weil die Parteien, wenn sie eine andere Verrechnungsmethode anwenden wollen, dies in der Kontokorrentabrede vereinbaren können31.
Nach der deutschen Rspr. müssen also lediglich die Forderungen beider Seiten addiert und die kleinere Summe von der größeren abgezogen werden. Soweit die Forderungen sich decken, sind sie erloschen. Der verbleibende Überschuss wird zur „kausalen“ Saldoforderung des Saldogläubigers gegen den Saldoschuldner, bestehend aus dem Bündel der durch die verhältnismäßige Verrechnung nicht getilgten restlichen Einzelforderungen, im Beispiel 1 also aus der Hälfte aller Einzelforderungen. Aufgrund der Kontokorrentabrede teilt die kontoführende Partei der anderen die abgerechnete Saldoforderung mit und diese ist aufgrund der Kontokorrentabrede verpflichtet, das Forderungsbündel gemäß § 781 anzuerkennen32. Erkennt der andere die „kausale Saldoforderung“ nicht an, so kann der Saldogläubiger in Höhe der (kausalen) Saldoforderung auf Zahlung klagen, sofern nicht vereinbart ist, die Saldoforderung in das Kontokorrent der nächsten Abrechnungsperiode einzustellen. In letzterem Falle kann der Saldogläubiger auf Anerkennung des Saldos und Feststellung der Richtigkeit der kausalen Saldoforderung klagen. Der Kläger trägt in diesen Klagen die Behauptungs- und Beweislast für alle seine Aktivposten und die von ihm akzeptierten Passivposten33. Aus der Kontokorrentabrede oder einer besonderen Vereinbarung im Einzelfall muss sich auch ergeben, ob der Schuldner zur Erfüllung der Saldoforderung verpflichtet ist oder die Saldoforderung in das Kontokorrent der nächsten Verrechnungsperiode einzustellen ist und zu welchem Zinssatz die Saldoforderung zu verzinsen ist; nach § 355 HGB können entgegen dem Zinseszinsverbot des § 248 BGB auch Zinsen von aus der Verzinsung der Einzelforderungen aufgelaufenen Zinsen verlangt werden, wenn mindestens einer der am Kontokorrent Beteiligten Kaufmann ist. Ohne die Regelung des § 355 HGB könnte in Deutschland im Voraus eine solche Zinseszinsvereinbarung nicht wirksam abgeschlossen werden. Erfüllt der Saldoschuldner die Saldoschuld, so sind alle im Kontokorrent stehenden Saldoforderungen getilgt, wird die Saldoforderung in die nächste Verrechnungsperiode eingestellt, so wird sie entsprechend der dargelegten Methode wie andere Einzelforderungen am Ende der nächsten Verrechnungsperiode verrechnet und damit entweder ganz oder teilweise getilgt.
V. Abstraktes Saldoanerkenntnis/Novation.
1. Rechtsnatur des Anerkenntnisses
Aus der Kontokorrentabrede besteht nicht zuletzt eine Verpflichtung, die durch Verrechnung zu Stande gekommene kausale Saldoforderung anzuerkennen. Anerkennen heißt rein sprachlich zunächst: erklären, dass etwas wahr sei, was dem Erklärenden nachteilig ist34. Juristisch sind drei Formen von Anerkenntnissen zu unterscheiden35: einseitige nicht rechtsgeschäftliche Anerkenntnisse, abstrakte Anerkenntnisse iSd § 781 und sog. „kausale Anerkenntnisse als einseitiger Feststellungsvertrag“. Nach ganz allgemeiner Meinung36 ist das Saldoanerkenntnis als abstraktes Anerkenntnis zu verstehen, also als (abstraktes) Versprechen, den anerkannten Anspruch zu erfüllen. Das Saldoanerkenntnis bedarf nicht der Schriftform des § 781, weil es aufgrund einer Abrechnung erfolgt (§ 782); es kann auch konkludent erklärt werden37. Mit diesem Saldoanerkenntnis werden die durch die Verrechnung nicht getilgten restlichen Einzelforderungen anerkannt, für welche mangels hinreichender Gegenforderungen keine Deckung vorhanden war. Diese nicht getilgten restlichen Einzelforderungen bilden sodann den rechtlichen Grund im Sinne des § 812 I 1 (äußere causa) des abstrakten Schuldanerkenntnisses38. Das Saldoanerkenntnis dient der Schärfung39 der Schuld der Saldoschuldners, verstärkt also die Rechtsposition des Gläubigers, weil er zur Geltendmachung der anerkannten Forderung nur beweisen muss, dass der Schuldner das Anerkenntnis erteilt hat; will der Schuldner dagegen geltend machen, dass er zwar das Anerkenntnis erteilt hat, aber eine der gegeneinander verrechneten Forderungen nicht oder nicht in der Höhe bestanden habe oder ein Rechenfehler vorliegt, so kann er sein Anerkenntnis des § 812 II, I 1) kondizieren, trägt aber die Beweislast für seine den Bereicherungsanspruch begründenden Behauptungen. Das Anerkenntnis schafft also mit der abstrakten Forderung eine Umkehrung der Beweislast zu Gunsten des Gläubigers40. Der sog. kausale Feststellungsvertrag will dem Anerkennenden dagegen auch die Kondiktionsmöglichkeit nehmen, was aber grundsätzlich nur rechtlich möglich ist, wenn dem Anerkenntnis ein Vergleich gem. § 779 im Wege gegenseitigen Nachgebens zugrunde liegt41.
2. Zweck des Saldoanerkenntnisses
Ein Schuldanerkenntnis kann wie jede abstrakte Forderung und allgemeiner jede Leistung zu verschiedenen Zwecken erfolgen (zum Austausch gegen eine andere Leistung42, zur Sicherung einer anderen Forderung43, zur Erfüllung an Erfüllungs Statt oder zur Schärfung erfüllungshalber44). Ein abstraktes Schuldversprechen kann wie eine Bürgschaft zum Zwecke der Sicherung einer Schuld geleistet werden, wird es aber nicht von einem Dritten, sondern vom Schuldner selbst geleistet, so wird es zumeist zum Zwecke der Erfüllung geleistet, wobei es an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber gegeben werden kann. Erkennt der Schuldner eine bestehende Verbindlichkeit im Form des § 781 an, so übernimmt er damit eine „neue Verbindlichkeit“ und es ist also gemäß § 364 II nicht anzunehmen, dass diese Verbindlichkeit an Erfüllungs Statt übernommen wird, vielmehr wird ebenso wie bei der Zahlung mittels Schecks oder Wechseln das abstrakte Versprechen erfüllungshalber geleistet. Die durch das Anerkenntnis anerkannten restlichen Einzelforderungen werden also, wenn das Saldoanerkenntnis erfüllungshalber geleistet wird, nicht mit dem Anerkenntnis, sondern erst durch die Erfüllung der anerkannten Saldoforderung zum Erlöschen gebracht45; anders kann es nur sein, wenn das Saldoanerkenntnis an Erfüllungs Statt gem. § 364 I geleistet wird, dann würden die restlichen durch die Verrechnung nicht getilgten Einzelforderungen schon mit dem Schuldanerkenntnis getilgt. Das Erlöschen der in der kausalen Saldoforderung steckenden Einzelforderungen ist jedoch nicht im Interesse des Saldogläubigers, der damit die Bürgschaften und sonstige Sicherungen verlieren würde, die für die einzelnen Forderungen gegeben wurden; deswegen schreibt § 356 HGB ausdrücklich die Erhaltung der gesicherten Forderungen vor und es kann daher unmöglich gegen den Willen des Saldogläubigers angenommen werden, dass er das Anerkenntnis des Saldosschuldners an Erfüllungs Statt annehmen will46. Wird die Saldoforderung nach entsprechender Vereinbarung in das Kontokorrent der nächsten Verrechnungsperiode eingestellt, so wird sie wie die anderen Einzelforderungen in dieser Verrechnungsperiode entsprechend verhältnismäßig getilgt.
2. Novation
Entgegen dem vorstehenden Verständnis des Saldoanerkenntnisses als erfüllungshalber gem. § 364 II geleistetes Anerkenntnis, das die anerkannten restlichen Einzelforderungen bestehen lässt, nimmt die deutsche Rspr. an, dass mit dem Anerkenntnis auch die durch die Verrechnung noch nicht getilgten restlichen Einzelforderungen kraft Novation zum Erlöschen kommen47. Die Novation ist eine Rechtsfigur des römischen Rechts, wonach Forderungen ipso iure erlöschen sollten, ohne dass der Wille der Parteien auf dieses Erlöschen gerichtet sein musste, wenn auf dieselbe Leistung gerichtete andere Forderungen durch Stipulation begründet wurden48. Eine derartige Novation war nach römischem Recht erforderlich in Fällen eines gewünschten Gläubiger- oder Schuldnerwechsels, weil der römische Obligationsbegriff von der Identität der daran beteiligten Personen nicht getrennt werden konnte, also eine Abtretung und Schuldübernahme im heutigen Sinne nicht zuließ. Auch ohne einen Personenwechsel war im römischen Recht eine Novation durch Stipulation erforderlich, um einen Stipulationsbürgen aufzunehmen, weil die Stipulationsbürgschaft auch eine stipulierte Hauptschuld voraussetzte49. Knütel50 will die ipso jure-Wirkung des Erlöschens durch Novation mit dem Satz erklären lex posterior derogat legi priori, weil sie privatautonom begründete Vereinbarung unter den Parteien eine lex sei; so kann man jedenfalls heute nicht mehr denken. Im alten Rom erloschen aber mit dem Erlöschen der alten Obligation auch die dafür bestellten Bürgschaften und Pfandrechte sowie der Lauf der Zinsen für die alte Schuld51. Justinian beseitigte jedoch mit einer Reformkonstitution die ipso iure-Wirkung des Erlöschens durch Novation, die danach nur noch eintreten sollte, wenn sie auch ausdrücklich als gewollt erklärt wurde52. Nach neueren Forschungen hat sich jedoch schon im nachklassischen Recht die Auffassung durchgesetzt, dass bei der Frage, ob mit der neuen Obligation die alte erlöschen soll, die Zweckbestimmung der Parteien zu berücksichtigen ist und dazu einen animus novandi gefordert53. Die Konstitution Justinians, nach welcher das Erlöschen der alten Obligation einen darauf gerichteten Parteiwillen voraussetzte, war demnach nur noch der Schlusspunkt einer Entwicklung des römischen Rechts. Diese Entwicklung kann in der Sprache und Begrifflichkeit unserer Zeit so verstanden werden, dass im klassischen römischen Recht ursprünglich jede stipulatio (abstraktes Schuldversprechen) zur Schärfung, Verstärkung, Klarstellung einer schon bestehenden Schuld an Erfüllungs Statt erfolgte und die alte Schuld zum Erlöschen brachte, langsam aber der Gedanke zum Durchbruch kam, dass die neue (durch Stipulation geschaffene abstrakte) Schuld nicht unbedingt zum Erlöschen der alten (und der dafür bestellten Bürgschaften und Pfandrechte) führen musste, vielmehr diese nur verstärken (schärfen) sollte, die neue stipulierte, abstrakte Verpflichtung also „erfüllungshalber“ eingegangenen wurde.
Trotz dieser Entwicklung des römischen Rechts kam im vor dem BGB geltenden Gemeinen Recht aufgrund der im Corpus Juris Civilis noch enthaltenen nicht interpolierten Stellen des klassischen römischen Rechts wieder die Meinung auf, dass das Erlöschen infolge Novation einen darauf gerichteten Parteiwillen (animus novandi) nicht voraussetze54. Man verkannte jedoch nicht, dass dem die Konstitution Justinians entgegenstand und mehrheitlich wurde daher ein ausdrücklich erklärter animus novandi als Voraussetzung des Erlöschens der alten Obligation gefordert. Windscheid bezweifelte schließlich, ob im Gemeinen Recht für die Novation noch ein Bedürfnis bestehe55 und Kipp bemerkte unter Bezug auf die Motive56 in der 8. Auflage des Lehrbuchs seines Meisters, dass das BGB die Novation nicht kenne. In den Motiven heißt es dazu, dass in den Fällen in denen die neue Verbindlichkeit (z.B. mittels eines Wechsels) zahlungshalber oder an Zahlungsstatt erfolge in § 264 S. 2, 3 (= § 364 I, II) die erforderliche Regelung gegeben sei. Im übrigen heißt es in den Motiven: „Anlangend aber diejenige Novation, bei der der Gläubiger und der Schuldner sich nicht ändern, so kann auch die Gültigkeit und Wirksamkeit eines derartigen Vertrages, wodurch die bisherige Verbindlichkeit durch eine andere zwischen denselben Personen ersetzt würde, gemäß den Prinzipien der Vertragsfreiheit und der Formfreiheit der Verträge nicht bezweifelt werden“. In der heutigen Sprache heißt das einfach: das Ziel der Novation kann durch formfreien Abänderungsvertrag57 erreicht werden. Der Rechtsfigur der Novation bedarf es nicht mehr. Damit aber ist klar, soweit die neue Verbindlichkeit zur Erfüllung einer bereits bestehenden Forderung begründet wird, erfolgt sie im Zweifel erfüllungshalber gem. § 364 II, sofern die Parteien nicht Leistung an Erfüllungs Statt vereinbart haben. Im Übrigen aber setzt ein Änderungsvertrag, der die alte Schuld durch eine neue ersetzen und damit die alte aufheben will, nach dem allgemeinen Prinzip des Rechtsgeschäftsbegriffs58 auch einen auf die Aufhebung gerichteten Willen der Parteien voraus.
Die deutsche Rechtsprechung zur Novationswirkung des Saldoanerkenntnisses beruht also auf der Grundlage schon im römischen Recht überholter Rechtsvorstellungen, die Justinian zur Klarstellung durch Konstitution abgeschafft hat, was auch im Gemeinen Recht und im BGB-Gesetzgebungsverfahren nicht verkannt wurde. Mit dem Saldoanerkenntnis wollen die Kontokorrentparteien nicht die kausale Saldoschuld erfüllen59, vielmehr gem. § 364 II im Zweifel die abstrakte Verpflichtung erfüllungshalber leisten zur Vereinheitlichung und Verstärkung oder Schärfung der durch die Verrechnung nicht erloschenen restlichen Kontokorrentforderungen, die also erst mit der Erfüllung, nicht schon mit Begründung des abstrakten Versprechens erlöschen. Die entgegenstehende Rechtsprechung, mit welcher der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung des Reichsgerichts fortführt, steht daher im Zweifel im Widerspruch zum Willen der Parteien, der nach heutigem Recht notwendige Voraussetzung des Erlöschens der mit dem Saldoanerkenntnis anerkannten restlichen Einzelforderungen (kausale Saldoforderung) ist. Es ist aber empfehlenswert, in der Kontokorrentabrede klar zum Ausdruck zu bringen, dass das Saldoanerkenntnis gem. § 364 II erfüllungshalber geleistet wird. Wenn dies geschieht, kann auch die Rechtsprechung ohne Rechtsbeugung nicht zu der Entscheidung kommen, dass das Anerkenntnis das Erlöschen der noch nicht getilgten Einzelforderungen zur Folge habe.
VI. Gesicherte Forderungen und deren Sicherheiten
1. Allgemeine Grundsätze
Nach allgemeinen Grundsätzen erlöschen akzessorische Sicherheiten (Bürgschaften, Pfandrechte, Hypotheken), wenn die gesicherten Forderungen erlöschen (§§ 774, 1163, 1252), abstrakte Sicherheiten (Grundschulden, Eigentumsvorbehalte, Sicherungsübereignungen) müssen aufgrund der Sicherungsabrede oder als ungerechtfertigte Bereicherung zurückübertragen werden. Bürgschaften oder sonstige Sicherheiten (Pfandrechte, Hypotheken, Grundschulden, auch Vorbehalts- und Sicherungsübereignungen, Vormerkungen, Zurückbehaltungsrechte, Gesamtschulden u.a.60) bleiben unberührt davon bestehen, dass die gesicherten Forderungen in ein Kontokorrent eingestellt wurden. Grundsätzlich kann der Gläubiger der gesicherten Forderungen jedoch die Hauptforderung wegen der Kontokorrenteinrede nicht wirksam geltend machen und auch der Bürge oder sonstige Sicherungsgeber kann die Kontokorrenteinrede erheben (§ 768)61. Zahlt der Bürge jedoch auf Verlangen des Gläubigers, so geht die Hauptforderung trotz der Kontokorrentbindung auf den Bürgen über, weil der Gläubiger sich damit notwendigerweise mit der Tilgung der Hauptforderung und deren Übergang gem. § 774 zu Regreßzwecken einverstanden erklärt62. Für andere Sicherheiten und bestehende Gesamtschulden gilt entsprechendes (§§ 426 II, 1143, 1225) und für abstrakte Sicherungsgeschäfte besteht ein Anspruch auf Abtretung aus dem Sicherungsvertrag oder aus Bereicherung. Es ist daher völlig falsch, in § 356 HGB eine Bestätigung der Novationswirkung eines Schuldanerkenntnisses zu sehen, vielmehr sollte § 356 HGB nur klarstellen, dass ein Saldoanerkenntnis jedenfalls eine gesicherte Forderung nicht durch Novation zum Erlöschen bringt.
2. Die Regelung des § 356 HGB
a) Gesetzlicher Ausschluss der Novationswirkung für die gesicherten Forderungen
Nach der im gemeinen Recht Ende des 19. Jahrhunderts überwiegend oder teilweise noch als rechtens betrachteten Novationswirkung des Saldoanerkenntnisses hat der Gesetzgeber des Handelsgesetzbuches die Regelung des § 356 HGB63 geschaffen, wonach der Gläubiger durch die „Anerkennung des Rechnungsabschlusses nicht gehindert (wird), aus der Sicherheit insoweit Befriedigung zu suchen, als sein Guthaben aus der laufenden Rechnung und die Forderung sich decken“. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber des HGB die damals noch verbreitete Vorstellung der Novationswirkung des Saldoanerkenntnisses jedenfalls bezüglich gesicherter Forderungen ausschließen, damit die Sicherheiten erhalten bleiben. Der HGB- Gesetzgeber stand damals vor der Alternative, entweder gesicherte Forderungen von der Aufnahme in ein Kontokorrent auszunehmen oder die nicht gewollte Novationswirkung auszuschließen und hat sich auf dieser Grundlage zur Regelung des § 356 HGB entschlossen, welche kraft Gesetzes die zu jener Zeit allgemeine anerkannte Novationswirkung gesicherter Forderungen durch ein Saldoanerkenntnis vermeiden sollte, damit die Sicherheiten für die gesicherten Forderungen erhalten bleiben64.
b) Obsolet gewordene Regelung
Nimmt man entsprechend den vorstehenden Darlegungen an, dass es die Rechtsfigur der Novation gar nicht mehr gibt, dass aber jedenfalls das Saldoanerkenntnis nicht an Erfüllungs Statt, sondern gemäß § 364 II erfüllungshalber gegeben wird, so hat § 356 HGB seine Funktion verloren, die Regelung ist obsolet geworden. Die gesicherten Forderungen sind dann aufgrund der in der Kontokorrentabrede enthaltenen (oder durch Auslegung hinein gedachten) „antizipierten Verrechnungsvereinbarung“ erloschen, soweit sie sich nach der anzuwendenden Verrechnungsmethode mit Gegenforderungen decken; im übrigen bestehen sie noch ganz oder teilweise und insoweit bestehen auch noch die dafür bestellten Sicherheiten. Die Restforderungen erlöschen erst, wenn die Saldoforderung durch Zahlung erfüllt wird. Wird die Forderung aus dem abstrakten Anerkenntnis nicht erfüllt, sondern - wie üblicherweise - in das Kontokorrent der nächsten Verrechnungsperiode eingestellt, so wird sie ganz oder verhältnismäßig in dem Maße getilgt wie die sonstigen Einzelforderungen des Saldogläubigers in der Verrechnung der nachfolgenden Verrechnungsperiode getilgt werden.
c) Rspr.: Haftung der Sicherheiten für den niedrigsten anerkannten Saldo
Die deutsche Rechtsprechung nimmt zwar grundsätzlich auch an, dass die im Kontokorrent stehenden Einzelforderungen des Saldoschuldners vollständig und die des Saldogläubigers einschließlich der gesicherten Forderungen aufgrund der „antizipierten Verrechnungsvereinbarung“ entsprechend § 366 II 5. Alternative verhältnismäßig erlöschen65 . Die im Bündel der kausalen Saldoforderung noch fortbestehenden restlichen Einzelforderungen sollen nach der (völlig überholten) Ansicht der deutschen Rechtsprechung jedoch aufgrund der Novationswirkung des Schuldanerkenntnisses erlöschen, bilden aber auch dann dessen rechtlichen Grund im Sinne des § 812 I 1. Nach dieser Ansicht müssten eigentlich („an sich“) auch die für einzelne dieser Forderungen bestellten akzessorischen Sicherheiten erlöschen und die Sicherungsnehmer zur Rückübertragung abstrakter Sicherheiten verpflichtet sein. Diese Konsequenz vermeidet die Rechtsprechung jedoch im Hinblick auf die Regelung des § 356 HGB im Ergebnis durch den dogmatisch nicht ableitbaren, also willkürlichen und unbegründeten Satz, dass die Sicherheiten mit einer doppelten Beschränkung noch fortbestehen: beschränkt durch die Höhe der Einzelforderungen für die sie bestellt wurden und beschränkt durch den niedrigsten Saldo der nachfolgenden Verrechnungsperioden66.
Im Beispiel 1 bleibt die durch Bürgschaft gesicherte Forderung E1 über 242 € nach der Verrechnung noch in Höhe von 121 € bestehen und in dieser Höhe bleibt nach der hier vertretenen Auffassung auch die Bürgschaft bestehen, solange die Saldoforderung und damit die darin noch steckenden restlichen Einzelforderungen nicht ganz oder teilweise getilgt sind.
Nach der deutschen Rechtsprechung richtet sich die Höhe der bestehen bleibenden Bürgschaft oder sonstigen Sicherheit jedoch nicht nach dem Maße der Tilgung der ursprünglich gesicherten Einzelforderung, vielmehr sichert die Bürgschaft nach dem Saldoanerkenntnis nicht mehr die ursprüngliche Einzelforderungen, sondern die Saldoforderung (im Beispiel 1: 442 €), allerdings beschränkt auf die Höhe der ursprünglich gesicherten Forderung, also im Beispiel 1 in Höhe von 242 €.
Eine für eine Einzelforderung bestellte Bürgschaft oder sonstige Sicherheit wird damit zu einer Bürgschaft für die nachfolgenden Saldoanerkenntnisse, solange diese nicht am Ende einer Verrechnungsperiode einmal ausgeglichen oder positiv für den Saldoschuldner werden; ein „Zwischensaldo“ (Tagessaldo) während einer Verrechnungsperiode soll zu keiner Beschränkung der Haftung des Sicherungsgebers führen. Nach dieser Rechtsprechung durchbricht die Regelung des § 356 HGB also nicht nur die angebliche Tilgung durch die Novationswirkung des Saldoanerkenntnisses, sondern (teilweise) auch die Tilgungswirkung der Verrechnung: das Fortbestehen der gesicherten Forderung wird durch diese Rechtsprechung bis zur Höhe der nachfolgenden niedrigsten Saldoanerkenntnisse erhalten. Das hat zur Folge, dass der Sicherungsgeber, obwohl die von ihm gesicherte Forderung teilweise getilgt wurde, in der Höhe der von ihm gesicherten Forderung für die nachfolgenden Saldoanerkenntnisse haften muss, also teilweise oder gänzlich für Forderungen, für welche er keine Sicherheit geleistet hat. Dieses mit unserer Rechtsgeschäftslehre und der Privatautonomie nicht zu vereinbarende Ergebnis soll in Variationen eines von Canaris67 gebildeten Beispiels verdeutlicht werden:
Beispiel 2:
a) Im Kontokorrent zwischen G und S stehen am 31.12.2010 (Ende der Abrechnungsperiode) eine Darlehensrückzahlungsforderung vom 1.7. 2010 zu Gunsten des G in Höhe von 10.000 € und eine Kaufpreisforderung in Höhe von 5000 € vom 21.8.2010. Für die Darlehensrückzahlung hat sich B am 1.7.2010 in Höhe von 10.000 € verbürgt. Zur Tilgung seiner Schulden zahlt S in der Verrechnungsperiode monatlich 500 € insgesamt also 6 x 500 = 3000 € mit der ausdrücklichen Bestimmung, diese auf die Darlehensschuld zu verrechnen. In welcher Höhe haftet B nach dem 31.12.2010 für die Schulden des S?
b) Alternative: Bei der Begründung der Darlehensschuld war zwischen G und S ausdrücklich vereinbart worden, dass diese in monatlichen Raten von 500 € zu tilgen ist. Wie ändert sich dadurch die Rechtslage?
Verrechnung vom 31.12.2010
Saldoforderung am Ende der Verrechnungsperiode:12.000 € zu Gunsten von G
bestehend aus 8.000/7.000€ Darlehens- und 4.000/5.000€ Kaufpreisforderung
Im Beispiel 2 a) ist die Tilgungsbestimmung des S nach allgemeiner Auffassung unwirksam, weil im Kontokorrent stehende Forderungen nicht erfüllt werden können68, nach der Rspr. findet daher am Ende der Verrechnungsperiode eine verhältnismäßige Verrechnung statt, wonach also die Darlehensforderung im Verhältnis 15.000 : 3000 = 5 : 1 also von 2000 € erfüllt und in Höhe von 8000 € noch bestehen würde; die Kaufpreisforderung besteht danach noch in Höhe von 4000 €. Auch die Bürgschaft dürfte daher eigentlich nur noch in Höhe von 8000 € bestehen (§ 767). Nach der deutschen Rechtsprechung besteht die Bürgschaft jedoch noch in Höhe von 10.000 €, weil danach die ursprünglich gesicherte Forderung durch das Saldoanerkenntnis erloschen und durch die nachfolgend niedrigsten Saldoforderung (12.000, aber beschränkt auf 10.000 €) ersetzt worden ist, wodurch der Bürge gezwungen wird, in Höhe von 2000 € für eine Schuld zu bürgen, für welche er sich nicht verbürgt hat. Wird diese Saldoforderung in Höhe von 12.000 nicht erfüllt, sondern in das Kontokorrent der nachfolgenden Verrechnungsperiode eingestellt und erlischt sie am Ende dieser nächsten Verrechnungsperiode aufgrund der Gegenforderungen des S um die Hälfte, bleibt aber trotzdem ein Saldo in Höhe von 10.000 € zu Lasten des S bestehen, weil er auch neue Schulden gemacht hat; so haftet der Bürge weiterhin bis zur Höhe von 10.000 €, obwohl die Schuld, für die er sich ursprünglich verbürgt hat, nur noch in Höhe von 4000 € besteht. In solchem Falle muss der Bürge also nach der nächsten Verrechnungsperiode in Höhe von 6000 € für eine Schuld haften, für welche er sich nicht verbürgt hat.
In der Literatur wird teilweise versucht, diese auf § 356 HGB gestützte Konstruktion der Rechtsprechung mit einem Forderungsaustausch entsprechend § 1180 (für die Hypothek) zu erklären69, wobei hierfür aber eine Einigung des Gläubigers und des Sicherungsgebers erforderlich ist, die durch § 356 HGB nicht ersetzt werden kann. Andere meinen, mit § 356 HGB werde der Fortbestand der gesicherten Forderungen fingiert70. Damit kann man alles und nichts begründen, es jedenfalls nicht rechtfertigen, dass ein Bürge oder sonstiger Sicherungsgeber ganz oder teilweise für Forderungen haften muss, für welche er keine Sicherheit geleistet hat. Ein solches Ergebnis kann, wenn es gewünscht wird, ordnungsgemäß nur dadurch erreicht werden, dass sich der Bürge für die jeweilige Saldoschuld des Schuldners verbürgt71; gegen oder ohne seinen Willen kann derjenige, der sich für eine ins Kontokorrent gestellte Einzelforderung verbürgt hat, aber nicht durch eine willkürliche Fiktion oder beliebigen Austausch zu einer derartigen immerwährenden Saldobürgschaft verpflichtet werden. Aufgrund der Konstruktion der Rechtsprechung wird die Kontokorrentabrede zu einem Vertrag zu Lasten Dritter (des Sicherungsgebers des Kontokorrentschuldners) und verstößt damit gegen eherne Grundsätze der Privatautonomie und wird deswegen von der ganz herrschenden Meinung auch nicht anerkannt.
Nach der Ansicht von Canaris72 sollen im Beispiel 2 die Raten zwar nicht mit der Zahlung, aber am Ende der Verrechnungsperiode gem. § 366 I auf die Darlehensforderung angerechnet werden, was von der Rechtsprechung aber zu Recht deswegen abgelehnt wird, weil eine einseitige Tilgungsbestimmung des Schuldners nicht genügt, dazu vielmehr eine Vereinbarung der Kontokorrentpartner erforderlich ist73. Mangels einer Tilgungsbestimmung entsprechend § 366 I will Canaris die Verrechnung entsprechend § 366 II vornehmen, müsste also die Raten zuerst auf die nicht gesicherte Kaufpreisforderung verrechnen, die damit in Höhe von 3000 € erlöschen würde. Bürgschaft und gesicherte Forderung würden in solchem Falle noch voll in Höhe von 10.000 € bestehen.
Im Alternativbeispiel 2 b) nimmt seit BGH WM 1995, 495 auch die Rechtsprechung an, dass aufgrund der Ratenvereinbarung die Ratenzahlungen auf die gesicherte Darlehensforderung zu verrechnen ist und demnach diese nur noch in Höhe von 7000 € besteht und auch die Sicherheit in Höhe von 3000 € erloschen ist74.
d) Gesamtschuldner und ausscheidende Gesellschafter
(1) Nach § 356 Abs. 2 HGB wird auch die gesamtschuldnerische Haftung eines Dritten als „Sicherheit“ (entsprechend der Bürgschaft) betrachtet, für welche die Regelung des Abs. 1 entsprechende Anwendung findet. Nimmt man im Beispiel 2 an, dass B nicht Bürge sondern Gesamtschuldner der Darlehensschuld des S ist, so ist nach meiner Auffassung auch die Forderung gegen den Gesamtschuldner insoweit erloschen, als die im Kontokorrent stehende Einzelforderung durch Verrechnung erloschen ist; soweit der Kontokorrentschuldner gem. § 426 Ausgleichung verlangen kann, ist die Forderung des Gläubigers gegen den Gesamtschuldner gemäß § 426 II auf ihn übergegangen. Nach der Rechtsprechung soll jedoch auch die Gesamtschuldforderung beschränkt durch ihre Höhe wie eine Bürgschaft für die am Ende der nächsten und der nachfolgenden Rechnungsperioden bestehende niedrigste Saldoforderung haften75; auch diese Konstruktion und der ihr zu Grunde liegende Forderungsaustausch kann nur als unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter und als Verstoß gegen die Privatautonomie betrachtet werden.
(2) Gesellschafter einer Personengesellschaft haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gleichfalls als Gesamtschuldner (§ 128 HGB), allerdings nur für am Tage ihres Ausscheidens begründete „Altschulden“ (§ 160 HGB). Wenn im Beispiel 2 a) also B kein Bürge, sondern ein Gesellschafter ist, der am 31. 12. 2010 aus der S-OHG ausgeschieden ist, so haftet er bis zur Höhe des am Tage seines Ausscheidens bestehenden („Zwischen“-)Saldo (12.000 €), weil er sowohl für die Darlehensforderung als auch für die Kaufpreisforderung als Gesamtschuldner haftete, beide zusammen (in Höhe von 15.000 € ) aber jedenfalls in Höhe von 3000 € erloschen sind. Wird diese Saldoforderung nicht erfüllt, sondern in das nächste Kontokorrent eingestellt und in dieser nächsten Periode zur Hälfte getilgt, so besteht nach der hier vertretenen Auffassung die „Altforderung“, für welche er am Tage seines Ausscheidens haftete, nur noch in Höhe von 6000 € und er bleibt in dieser Höhe als Gesamtschuldner verpflichtet; wird diese Saldoforderung wiederum in die nächste Verrechnungsperiode eingestellt und entsprechend getilgt, so ermäßigt sich auch die Haftung des Gesellschafters entsprechend.
Anders die deutsche Rechtsprechung76, die auch diesbezüglich einen Forderungsaustausch vornimmt und den ausscheidenden Gesellschafter nicht bloß für die ursprünglich gesicherten Altforderungen, sondern bis zur Höhe des am Tage seines Ausscheidens bestehenden Tagessaldo77 (12.000 €) für den jeweils niedrigsten nachfolgenden periodischen Verrechnungssaldo haften lässt bis dieser gegen Null läuft oder positiv wird. Nach in der Literatur herrschender Auffassung verstößt diese Rechtsprechung gegen die Haftungsbeschränkung des § 160 HGB78.
e) Mehrere gesicherte Forderungen
Sind mehrere im Kontokorrent stehende Forderungen durch Bürgschaft, Pfandrechte oder andere Sicherheiten gesichert, so bestehen nach der hier vertretenen Auffassung diese Sicherheiten an den einzelnen Forderungen, für die sie bestellt worden sind und in der Höhe, in welcher die gesicherten Forderungen nach der Verrechnung noch bestehen. Diejenigen, die mit Canaris eine Tilgung entsprechend § 366 II annehmen, müssen in solchem Falle entscheiden, welche der gesicherten Forderungen besser oder weniger gut gesichert sind, je nach der Solvenz des Bürgen oder des Wertes der zur Sicherung übereigneten Güter bzw. der Höhe des Erlöses, der im Falle eines Zwangsverkaufs oder einer Zwangsversteigerung erzielt werden kann. Die große Schwierigkeit, den Wert der bestellten Sicherheiten abzuschätzen und miteinander zu vergleichen, ist nicht zuletzt ein starkes Argument für die verhältnismäßige Tilgung aller Forderungen. Nach der Haftungskonstruktion der Rechtsprechung (Forderungsaustausch) haften jedoch alle Sicherheiten bis zur Höhe der Forderung, für die sie bestellt wurden für die niedrigste nachfolgende Saldoforderung und der Gläubiger soll sich aussuchen können, welche Sicherheit er bevorzugt in Anspruch nehmen will79, womit wiederum der Sicherungsgeber abhängig von der Willkür des Gläubigers für Schulden haften soll, für welche er keine Sicherheit geleistet hat80.
VI. Zusammenfassung
1. Kontokorrentabrede als Voraussetzung der Kontokorrentverrechnung
Die Kontokorrentverrechnung mit ihrem Saldoanerkenntnis setzt eine Kontokorrentabrede voraus und dient der Vereinfachung der Abrechnung gegenseitiger Forderungen von in Geschäftsbeziehungen miteinander stehenden Personen. In der Regel verpflichten sich Kontokorrentpartner in ihrem Geschäftsvertrag, der die Grundlage ihrer Geschäftsbeziehungen bildet (Girovertrag, Handelsvertretervertrag, Gesellschaftsvertrag) zu einer Kontokorrentabrede.
2. Inhalt der Kontokorrentabrede
In der Kontokorrentabrede sollten Vereinbarungen zu folgenden Fragen geregelt oder klargestellt werden:
a) Welche Forderungen in das Kontokorrent eingestellt werden sollen und welche Verfügungsbeschränkungen durch die Einstellung der Forderungen in das Kontokorrent eintreten sollen?
b) Auf welche Art und Weise die eingestellten Forderungen staffelmäßig oder periodisch verrechnet werden sollen („antizipierte Verrechnungsvereinbarung“)?
c) Ob und in welcher Höhe die Saldoforderung zu verzinsen ist?
d) Dass der Saldoschuldner verpflichtet ist, die Saldoforderung nach Mitteilung des Verrechnungsergebnisses erfüllungshalber gem. § 364 II anzuerkennen.
e) Dass die für Einzelforderungen bestellten Sicherheiten ausschließlich für diese haften und nur insoweit, als sie durch die Verrechnung oder die Tilgung der Saldoforderung noch nicht erloschen sind.
2. Verfügungsbeschränkungen aufgrund der Kontokorrentabrede
Die ins Kontokorrent gestellten Einzelforderungen unterliegen aufgrund der Kontokorrentabrede folgenden Verfügungsbeschränkungen:
a) Die Einzelforderungen können nicht mehr gegeneinander geltend gemacht werden, dem jeweiligen Schuldner steht die Kontokorrenteinrede zu. Im Falle des Bestreitens einzelner Forderungen bleibt aber eine Festellungsklage zulässig.
b) Zahlungen zum Zwecke der Erfüllung von Einzelforderungen führen nicht zu deren Erlöschen, vielmehr entstehen Bereicherungsansprüche des Zahlenden, die am Ende der Verrechnungsperiode zu verrechnen sind. Einseitige Tilgungsbestimmungen eines Schuldners hinsichtlich vor Kontokorrentforderungen sind unwirksam; zulässig bleiben jedoch Vereinbarungen der Kontokorrentpartner, wonach einzelne Leistungen und Forderungen abweichend von der verhältnismäßigen Verrechnung zu verrechnen sind.
c) Die Abtretung von Kontokorrentforderungen und deren Verpfändung sind unzulässig.
d) Die Aufrechnung mit und gegen Kontokorrentforderungen ist unzulässig.
e) Die Einstellung von Einzelforderungen in das Kontokorrent bewirkt keine Stundung dieser Forderungen.
f) Entsteht im Laufe einer Verrechnungsperiode ein Zwischensaldo über ein gesetztes Limit hinaus (z.B. über 3000 € oder über 30.000 €) zu Lasten eines Kontokorrentpartners, so kann der andere Teil Ausgleichung des Saldos verlangen.
3. Antizipierte Verrechnungsvereinbarung
In der Kontokorrentabrede sollte vor allem vereinbart werden, ob die Forderungen staffelmäßig oder periodisch und wenn periodisch, ob viertel- oder halbjährlich oder jährlich miteinander verrechnet werden sollen. In der Regel dürfte es sachgerecht sein zu vereinbaren, dass die eingestellten Forderungen verhältnismäßig im Summe der Forderungen des einen zur Summe der Forderung des anderen verrechnet werden sollen („antizipierte Verrechnungsvereinbarung“); sofern eine andere Verrechnungsart gewünscht ist, muss dies so genau wie möglich in der Kontokorrentabrede vereinbart werden, weil ansonsten die Rechtsprechung verhältnismäßig verrechnet. Ausdrücklich sollte auch vereinbart werden, dass auch gesicherte Forderungen verhältnismäßig verrechnet werden sollen oder, falls dies gewünscht ist, dass ungesicherte Forderungen vor gesicherten verrechnet werden sollen.
4. Verpflichtung zum Saldoanerkenntnis und Saldoverzinsung
In der Kontokorrentabrede ist ferner zu vereinbaren die Verpflichtung des Saldoschuldners, die kausale Saldoforderung binnen zwei Wochen nach Mitteilung des Verrechnungsergebnisses erfüllungshalber gem. § 364 II förmlich anzuerkennen im Sinne des § 781 (Saldoanerkenntnis) und ab dem Zeitpunkt der Verrechnung am Ende der Verrechnungsperiode z.B. mit 7 % zu verzinsen, auch insoweit darin aufgelaufene Zinsen aus verzinslichen Einzelforderungen stecken (Zinses-Zinsen).
5. Sicherheiten für Einzelforderungen und Saldossicherheiten
Hinsichtlich gesicherter Einzelforderungen sollte klargestellt werden, dass die Sicherheiten ausschließlich für die gesicherten Einzelforderungen bestellt wurden und daher in dem Maße erlöschen bzw. zurückzugeben sind, als die gesicherten Einzelforderungen im Wege der Verrechnung erlöschen. Sofern die Parteien für die durch die Verrechnung entstehenden Saldoforderungen Sicherheiten bestellen wollen, so müssen sie die Sicherheiten für die (jeweiligen) Saldoforderungen bestellen.
1 Vortrag gehalten am 6 April 2011 in Democritos Universitaet Thracien im Rahmen des Aufbaustudiums der Fakultaet fuer Rechtswissenschaft.
2 Vgl. Prausnitz, Geschichte der Forderungsabrechnungen, 1928; Raisch, Geschichtliche Voraussetzungen, dogmatische Grundlagen und Sinnwandlungen des Handelsrechts, 1965; Scherner, Wandlungen im Bild des Kontokorrents, Festschrift für Bährmann, 1975, S. 171; Blaurock, Das Kontokorrent, JA 1980, 691 Fußn. 3-18 m.w.N.
3 Entwickelt vom italienischen Mathematiker Luca Pacioli, Summa de Arithmetica, Geometria, Proportioni et Proportionalita.
4 Winand v. Petersdorf, Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung v. 27.2.2011, S. 46; dazu Joseph Vogl, Das Gespenst des Kapitals, Zürich 2011.
5 Windscheid, Pandekten II, 8. Aufl., § 343; Ehmann, JZ 1968, 549, 550; dazu unten Fn. 30.
6 § 355 HGB lautet: „(1) Steht jemand mit einem Kaufmann derart in Geschäftsverbindung, daß die aus der Verbindung entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen werden (laufende Rechnung, Kontokorrent), so kann derjenige, welchem bei dem Rechnungsabschluß ein Überschuß gebührt, von dem Tag des Abschlusses an Zinsen von dem Überschuß verlangen, auch soweit in der Rechnung Zinsen enthalten sind.
(2) Der Rechnungsabschluß geschieht jährlich einmal, sofern nicht ein anderes bestimmt ist.
(3) Die laufende Rechnung kann im Zweifel auch während der Dauer einer Rechnungsperiode jederzeit mit der Wirkung gekündigt werden, daß derjenige, welchem nach der Rechnung ein Überschuß gebührt, dessen Zahlung beanspruchen kann.“
Diese Regelung des § 355 HGB enthält damit neben einer Legaldefinition des Kontokorrents als Rechtsfolge nur eine Durchbrechung des Zinseszinsverbot des § 248 BGB für den Fall, dass zumindest eine Partei Kaufmann ist. Neben dieser Vorschrift enthält das deutsche Recht zum Kontokorrent nur noch die beiden Vorschriften der §§ 356, 357 HGB. § 356 HGB ist in Fußn. 62 abgedruckt. Nach § 357 sind im Kontokorrent stehende Einzelforderungen auch in der Zwangsvollstreckung nicht pfändbar; dazu im Text unter III 1.
7 Die „wesentlichen Grundgedanken“ (§ 307 II Nr. 1 BGB) eines vertraglichen Regelungssystems, die im kodifizierten Recht meist als dispositives Recht geregelt sind (z.B. die Gewährleistungsrechte des Kaufrechts) und seit alters her naturalia negotii genannt werden, erklärte Windscheid (Pandekten I, § 85 Note 1) in seiner berühmt gewordenen Formel wie folgt : „Das Recht bringe in der Ordnung jener naturalia negotii, wenn auch nicht den wirklichen (bewußten), doch den eigentlichen Willen der Parteien zur Geltung, spreche nur aus, was die Parteien selbst ausgesprochen haben würden, wenn sie gerade diesen Fall in den Bereich ihrer Festsetzung gezogen hätten.“. Das gilt für die Rechtsfolgen des Kontokorrents in besonderem Maße, das in den §§ 355-357 HGB nur eine sehr dürftige gesetzliche Regelung erfahren hat und sich im übrigen in der Form von Handelsbräuchen, d.h. aus den Erfahrungen der Kaufleute entwickelt hat und für den Juristen in eine diesen Bräuchen entsprechende Form gebracht werden muss, entsprechend dem „eigentlichen“ Willen der Kontokorrentparteien, der freilich durch die in der Praxis bestehenden Handelsbräuche mitbestimmt wird.
8 Ausgenommen werden nur solche Forderungen, deren Verrechnung aus bestimmten Gründen nicht sachgerecht erscheint, z.B. Forderungen auf rückständige Einlagen von Kapitalgesellschaften, Wechselforderungen u.ä.; vgl. Heymann/Horn, HGB, 2. Aufl. 2005, § 355 Rz. 13 ff.; MK-Langenbucher, HGB, 2.Aufl. 2009, § 355 Rz. 31 ff.; Oetker/Maultzsch, HGB-Kommentar, 2009, § 355 Rz. 21 ff.
9 Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 35 ff. m.w.N.
10 BGHZ 49, 24, 27; 51, 346; Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 37.
11 Hefermehl, FS Lehmann, 547, 561; Heymann/Horn § 355 Rz. 20.
12 So Canaris, Handelsrecht, 24. Aufl. 2006, § 25 Rz. 8.
13 BGHZ 73, 207, 209; Hefermehl, FS Lehmann, 547, 561; Heymann/Horn § 355 Rz. 20.
14 BGH ZIP 1984, 424.
15 MK-Hefermehl, HGB, 2001, § 355 Rz. 104; Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 81 ff; Karsten Schmidt, HandelsR, § 21 II 2 a; VI 1.
16 BGH NJW-RR 1987, 1186.
17 Der kein selbstständiger Anspruch ist, sondern das Bündel der durch die Verrechnung nicht erloschenen Einzelforderungen, BGHZ 49, 24, 26; 74, 253, 255.
18 BGH NJW-RR 1987, 1186; Karsten Schmidt, HandelsR, § 21VI 1.
19 Vgl. RGZ 149, 19, 25; BGHZ 70, 86, 93; 157, 350, 326; dazu Staub/Canaris, HGB-Großkommentar, 4. Aufl. 2004, § 355 Rz. 243 ff.; Heymann/Horn § 355 Rz. 50; Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 85 ff; Ebenroth/Grundmann § 355 Rz. 29.
20 BGHZ 49, 24, 30; 74, 253, 255; 107, 192, 197; so auch Staub/Canaris § 355 Rz. 124 ff.; MK-Langenbucher § 355 Rz. 75; Heymann/Horn § 355 Rz. 21; dazu unten Fn. 30; die deutsche Rspr. konterkariert allerdings diese Tilgungswirkung bezüglich gesicherter Forderungen, indem sie eine vertraglich gesicherte Forderung bis zu ihrer Höhe durch die nachfolgende niedrigste Saldoforderung am Ende einer Verrechnungsperiode ersetzt, was den Willen der Parteien verhöhnt (vgl. Hefermehl FS Lehmann, 550 f; dazu Fußn. 58) und daher mit dem Prinzip der Privatautonomie nicht zu vereinbaren ist. In RGZ 132, 218, 222 und BGHZ 93, 307, 314 hat die Rechtsprechung sogar angenommen, dass der Verrechnung keine Rechtswirkung zukomme, das Rechenergebnis vielmehr nur einen „Rechnungsposten“ bilde und die Einzelforderungen erst aufgrund Novation durch das Schuldanerkenntnis erlöschen würden, was aber mit BGHZ 141, 116, 120; 107, 192, 197; 74, 253, 255 nicht zu vereinbaren ist.
21 BGHZ 50, 277, 279.
22 BGHZ 73, 207, 210; dazu AGB-Banken Nr. 7.
23 Vgl. Heymann/Horn § 355 Rz. 29 ff.
24 RGZ 56, 19, 24; 132, 218, 219; 164, 212, 215; BGHZ 49, 24, 30; 77, 256, 261; 141, 116, 120 = NJW 1999, 1709.
25 BGHZ 49, 24, 30; 74, 253, 255; 107, 192, 197; 141, 116, 120; anders RGZ 132, 218, 222 und BGHZ 93, 307, 314; dazu Fn. 19.
26 Allgemein: GFoSgl : GFoSsch = EFoSGl : RestFoSgl. Von jeder Einzelforderung des Saldogläubigers (EFoSGl) bleibt nach der Verrechnung also eine Restforderung (RestFoSGl) übrig, deren Verhältnis dem der Gesamtforderungen des Saldogläubigers zu den Gesamtforderungen des Saldoschuldners entspricht.
27 RGZ 164, 212, 216: “Der Grundsatz der verhältnismäßigen Aufrechnung gilt nur dann, wenn die Beteiligten nichts anderes vereinbart haben“; ebenso BGH WM 1991, 495; dazu Fn. 30.
28 Staub/Canaris § 355 Rz. 154 ff; dagegen BGHZ 77, 256, 216; 117, 135, 141; 141, 116, 120.
29 Eine große Rolle spielte bis zum Jahre 2002 in Deutschland allerdings die Einordnung von Forderungen aus Termingeschäften, weil diese für nicht termingeschäftsfähige Personen Naturalobligationen im Sinne des § 762 waren, die also nicht eingeklagt, aber erfüllt werden konnten. In RGZ 56, 19, 23 (Urt. v. 14.11.1903) wurde daher angenommen, dass solche Termingeschäftsforderungen die geringste Sicherheit bieten und daher bei einer Verrechnung nach § 366 II zuerst getilgt werden müssten, was man aber nicht wollte und deswegen eine verhältnismäßige Tilgung entsprechend Alternative 5 des § 366 II annahm. Auch in RGZ 132, 218 (Urt. v. 25. 3. 1931) war die Frage zu entscheiden, ob Forderungen aus Warentermingeschäften durch Verrechnung und Saldoanerkenntnis erloschenen waren, was verneint wurde; vgl. ferner BGHZ 101, 296, 305; 107, 192, 198; 117,135, 141; BGH NJW 1999, 722; dazu MK-Langenbucher § 355 Rz. 85; Heymann/Horn § 355 Rz. 15; Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 51; demgegenüber will Canaris (Handelsrecht § 27 (23. Aufl.) Rz. 25; Staub/Canaris § 355 Rz. 160 ff.) solche Naturalobligationen grundsätzlich erst nachrangig nach allen klagbaren Verbindlichkeiten zur Verrechnung bringen. Diese Frage hat ihre praktische Bedeutung jedoch weitgehend verloren, weil durch das 4. FinanzmarktförderungsG die Forderungen aus Termingeschäften ihre Unklagbarkeit verloren haben und normale Verbindlichkeiten wurden; vgl. dazu Heymann/Horn § 355 Rz. 15; MK-Langenbucher § 355 Rz. 85; Staub/Canaris § 355 Rz. 160 ff.
30 Was nur diejenigen richtig beurteilen können, die längere Zeit als Buchhalter einer Bank oder einer sonstigen große Kontokorrentkonten führenden Stelle mit der Verrechnung großer Mengen von Kontokorrentforderungen befasst waren. Im Falle einer entsprechenden Anwendung des § 366 II müsste vor allem auch entschieden werden, welche von mehreren gesicherten Forderungen besser gesichert sind, also ob ein Bürge solventer ist als ein anderer oder eine sicherungsübereignete Sache im Falle des Zwangsverkaufs einen hinreichenden Erlös besser sichert als eine Personal- oder sonstige Sicherheit. Bei mehreren gesicherten Forderungen wird damit jede Verrechnung schwierig und anfechtbar, was zweifelsohne einen großen Nachteil gegenüber der verhältnismäßigen Verrechnung darstellt.
31 So schon ganz klar und deutlich RGZ 164, 212, 216; ebenso BGH WM 1995, 495, 497; dazu Fußn. 26. Eine einseitige Tilgungsbestimmung lässt die Rechtsprechung aber zu Recht nicht genügen, weil auf Grund der Kontokorrentabrede grundsätzlich (nach Ansicht der Rspr.) eine verhältnismäßige Tilgung anzunehmen ist. Im Übrigen ist auch ohne Kontokorrentabrede im Falle des Bestehens mehrerer Forderung eine Tilgungsbestimmung gemäß § 366 I nur wirksam, wenn der Gläubiger nicht widerspricht (Windscheid, Pandekten II, § 343; ebenso im Falle der Aufrechnung § 396). Das einseitige Bestimmungsrecht des § 366 I hat nur die Wirkung, dass der Gläubiger nicht gegen den Bereicherungsanspruch des zahlenden Schuldners mit der Forderung aufrechnen kann, die er erfüllt haben möchte, weil ansonsten das Bestimmungsrecht letztlich dem Gläubiger zustünde (so schon Windscheid, Pandekten II § 343 Note 2 c am Ende; Ehmann JZ 1968, 549, 550 nach Fußn. 6). Angesichts der Besonderheiten der Kontokorrentverrechnung ist es aber jedenfalls sachgerecht, dass eine von der verhältnismäßigen Tilgung abweichende Bestimmung nur durch Vereinbarung zwischen den Kontokorrentparteien möglich ist und also § 366 I keine Anwendung findet, zutr. daher RGZ 87, 434, 438; 164, 212, 216; BGH WW 1995, 495; MK-Hefermehl § 356 HGB Rz. 17; Erman-Westermann, § 364 BGB Rz 8; Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 59, § 356 Rz. 17; a.A. Staub/Canaris § 355 Rz. 147 aufgrund „wirtschaftlicher Betrachtungsweise“. Die Erfüllung ist jedoch ebenso wie die Kontokorrentverrechnung ein Rechtsgeschäft (dazu Fußn. 57), also eine Rechtsfolge, die eintritt, wenn und soweit sie gewollt ist, nicht bloß ein wirtschaftliches Faktum, das als Zweckerreichung der Obligation nach objektivem Recht eintritt, wenn der Gläubiger das Geschuldete erhält.
32 Denkbar wäre es, das Bündel verschiedener restlicher Einzelforderungen in eine einzige einheitliche kausale Saldoforderung im Wege der Schuldänderung umzuschaffen, dazu Kreß, Allgemeines Schuldrecht, § 9; Erman/Westermann, § 364 Rz. 29. Diese Möglichkeit wird aber offenbar in der Praxis nicht genutzt, wohl weil die darin liegende Vereinheitlichung besser durch das abstrakte Schuldanerkenntnis gem. § 781 erreicht wird. Denkbar ist es aber auch, die „kausale Saldoforderung“ als „kausales Erfüllungsversprechen“ zu verstehen, das wie ein erfüllungshalber gegebenes abstraktes Schuldversprechen oder Anerkenntnis die zu erfüllende Forderung unberührt lässt, aber von ihr kausal abhängig bleibt wie eine Bürgschaftsforderung von der Hauptschuld; zur historischen Herkunft dieser Rechtsfigur vgl. Erik Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, 2005, S. 227 ff. Eine derartige kausale Umschaffung des Forderungsbündels in eine einheitliche Forderung stellt aber grundsätzlich keinen Verzicht auf Einwendungen dar, die im Falle eines abstrakten Anerkenntnisses zur Kondiktion der daraus erwachsenen abstrakten Forderung berechtigen würden, ein solcher Verzicht kann grundsätzlich nur im Wege gegenseitigen Nachgebens durch einen Vergleich erfolgen, Erik Ehmann, aaO, S. 197 ff; im Ergebnis ebenso Blaurock, JA 1980, 693; Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 65.
33 BGH WM 1983, 704; 1991, 1294; MK-Langenbucher § 355 Rz. 87; Heymann/Horn § 355 Rz. 23, 26; Oetker Maultzsch § 355 Rz. 62.
34 Windscheid, Pandekten II, § 412 a; Erik Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, 2005, S. 1.
35 Erik Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, S. 2 ff.
36 Staub/Canaris § 355 Rz. 182 ff; ders. Canaris, Handelsrecht, § 21 Rz. 30; Karsten Schmidt, Handelsrecht, § 21 V 1; Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 65; Blaurock, JA 1980,693; Erik Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, S. 63, 246; das Verständnis des Saldoanerkenntnisses als „kausaler Feststellungsvertrag (so Kübler, Feststellung und Garantie, 1967, S. 153 ff.) dient dem Zweck, dem Anerkennenden die Möglichkeit der Kondiktion gemäß §§ 812 II, 812 I 1 zu nehmen, wenn eine der verrechneten Forderungen nicht besteht oder durch spätere Anfechtung oder aus sonstigen Gründen untergegangen ist; sie ist daher geeignet, großen Missbrauch in der Praxis zu begünstigen. Ein solcher Verzicht auf Einwendungen gegen die durch Verrechnung zustande gekommene Forderung ist zwar möglich im Wege gegenseitigen Nachgebens in einem Vergleich (§ 779), darf aber nicht in ein bloßes Schuldanerkenntnis hinein gelegt werden und könnte im Falle eines Saldoanerkenntnisses nur als Verhöhnung des wirklichen und „eigentlichen“ Parteiwillens betrachtet werden (Erik Ehmann, aaO, S. 7), wird daher zu Recht auch ganz allgemein abgelehnt; dazu Fn. 31, 40.
37 Aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen (z.B. § 7 II AGB-Banken) kann u.U. auch das Schweigen nach Ablauf einer bestimmten Frist als Anerkennung gelten, dazu Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 66; ferner Heymann/Horn § 355 Rz. 25; MK-Langenbucher § 355 Rz. 95;
38 Erik Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, 2005, S. 39 ff., 63.
39 Dazu Kreß, Besonderes Schuldrecht, S. 257, 258; MK-Hefermehl § 356 Rz. 59: „Verstärkung „. Die Schärfung oder Verstärkung der Schuld ist eine (Zwischen-) Form der Abwicklung der Schuld, deren Funktion vor allem in einer Beweislastumkehr besteht. Der Zweck der Schärfung, der im Falle eines Anerkenntnisses erfüllungshalber die innere causa (oder causa im subjektiven Sinne; äußere causa oder causa im objektiven Sinne ist die anerkannte Forderung) der abstrakten Forderung bildet ist also ein Abwicklungszweck, aber keine Erfüllungszweck, weil die anerkannte Forderung damit nicht erfüllt wird (wie bei der Leistung an Erfüllungs Statt gem. § 364 I), sondern bestehen bleibt bis zur Erfüllung der aus dem Anerkenntnis entstandenen abstrakten Forderung. Der Zweck der Schärfung ähnelt insoweit dem Sicherungszweck (der Bürgschaft oder einer abstrakten Forderung zur Sicherung) und unterscheidet sich davon vor allem darin, dass die Sicherungsleistung von einem Dritten, nicht dem Schuldner selbst versprochen wird und deswegen nur der Verstärkung (Schärfung), vor allem der Beweislastumkehr dient.
40 RGZ 101, 122, 125; BGHZ 51, 346, 348; Heymann/Horn § 355 Rz. 28; Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 73; MK-Langenbucher § 355 Rz. 103 ff.; Staub/Canaris § 355 Rz. 214 ff.
41 Ebenso im Ergebnis schon Blaurock, JA 1980, 693; Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 65; gegen den einseitigen Feststellungsvertrag grundsätzlich Erik Ehmann, Schuldanerkenntnis und Vergleich, S. 197 ff.
42 Im Falle RGZ 119, 12 wurde z.B. die Verschaffung von Besitz und Eigentum an einer Sache gegen ein abstraktes Schuldversprechen ausgetauscht, also kein Kaufvertrag im Sinne der §§ 433 ff. geschlossen, vielmehr derselbe wirtschaftliche Zweck aus bestimmten Gründen durch den Austausch der abstrakten Übereignung gegen ein abstraktes Zahlungsversprechen erreicht, dazu Ehmann, Gesamtschuld, S. 155f.
43 Wenn z.B. ein Dritter statt einer Bürgschaft für den Schuldner dem Gläubiger ein abstraktes Schuldversprechen gem. § 781 abgibt zur Sicherung dessen Forderung gegen den Schuldner.
44 Kreß, Allgemeines Schuldrecht, § 20 Nr. 3 und 4.
45 MK-Hefermehl § 355 Rz. 59; Staub/Canaris § 355 Rz. 175 ff.; Canaris, Handelsrecht, § 25 Rz. 30; Heymann/Horn § 355 Rz. 27; Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 71 f; MK-Langenbucher § 355 Rz. 93; Karsten Schmidt, Handelsrecht, § 21 V 1 b; alle gegen die Rspr., die annimmt, dass das Saldoanerkenntnis Novationswirkung habe und die ihm zu Grunde liegenden restlichen Einzelforderungen, die den rechtlichen Grund des abstrakten Anerkenntnisses bilden, zum Erlöschen bringe; dazu unten V 2; VI 2 b.
46 Hefermehl , FS Lehmann, S. 550 f; dazu Fußn. 58.
47 RGZ 82, 400, 404; 87, 434, 437; 132, 218, 221; BGHZ 26, 142, 150; 50, 277, 279; 58, 257, 260; 93, 307, 313.
48 Kaser, Das römische Privatrecht, 1. Bd., 2. Aufl. 1971, § 152 I 3; Kunkel/Honsell, Römisches Recht, 4. Aufl. 1987, § 104 I 1.
49 Kaser I, aaO, § 152 I 1; Kunkel/Honsell, aaO, § 101 I 1 a.
50 Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, 19. Aufl. 2008, § 54 I 1.
51 Kaser I, aaO, § 152 I 3; Kunkel/Honsell, aaO, § 101 I 1.
52 Kaser, Das römische Privatrecht, 2. Bd., 2. Aufl. 1975, § 275 I 2; Kunkel/Honsell, aaO, § 104 I 2.
53 Kaser II, § 275 I 2; Kunkel/Honsell, aaO, § 104 I 2.
54 Windscheid, Lehrbuch der Pandekten II, 8. Aufl., § 353.; anders jedoch Puchta (Pandekten, 8. Auflage 1856 § 251), der als Voraussetzung des Erlöschens durch Novation einen animus novandi fordert, der nicht präsumiert werden dürfe, sondern ausdrücklich erklärt werden müsste. Puchta weist ausdrücklich darauf hin, dass das Gesetz Justinians die Kontroversen abschneiden sollte, die unter den römischen Juristen dadurch entstanden waren, dass in gewissen Fällen eine Novation schlechthin angenommen also der animus novandi präsumiert werden sollte; ähnlich Arndt, Pandekten, 5. Aufl. 1865, § 268 Note 4. Bei Dernburg (Pandekten II, 7. Aufl.) heißt es schließlich: „Es wird endlich erfordert die Absicht zu novieren - animus novandi - d.h. die alte Obligation durch die Begründung der neuen aufzuheben. Diese Absicht wird nicht, wie bis Justinian geschah, vermutet, wenn eine zweite Obligation bezüglich desselben Schuldgegenstandes in das Leben gerufen wird. Sie muss aus dem Novationsvertrage besonders erhellen. Sonst bestehen zwei Obligationen nebeneinander, die auf dasselbe Ziel gerichtet sind.“ In der Fußn. hierzu wird hinzugefügt: „Ursprünglich trat die Novation in Rom ein, ohne dass es auf einen besonderen animus novandi der Beteiligten ankam“.
55 Pandekten II, § 353 Note 12.
56 Motive II, 78 = Mugdan II, 43.
57 Auch zur Umschaffung einer kausalen Kaufpreis- in eine kausale Darlehensforderung forderte RGZ 119, 21, 24 (Urt. v.21.11.1927) zwar keinen auf das Erlöschen der Kaufpreisforderung gerichteten Willen, ein solcher Wille ergebe sich „vielmehr mit Notwendigkeit aus dem die Eingehung des neuen Vertragsverhältnisses bezweckenden Willens der Parteien von selbst, sofern dieser Wille auf Ersetzung des alten Vertrags durch den neuen gerichtet ist“. Es sei daher „Sache einer dem §§ 133,157 BGB gerecht werdenden Auslegung, unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles den wahren Willen der Parteien zu erforschen“.
58 „Rechtsgeschäft im Sinne des Entwurfs (des BGB) ist eine Privatwillenserklärung, gerichtet auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, der nach der Rechtsordnung deswegen eintritt, weil er gewollt ist“ (so Motive I, 126 = Mugdan I, 421).
59 Schon Hefermehl (FS Lehmann, 550 f.) hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dazu ein animus novandi erforderlich wäre, der nur angenommen werden könne, wenn ein Weiterbestehen der Einzelansprüche nach der Saldoanerkennung dem Interesse der Parteien zuwiderliefe. Dies treffe aber nicht zu, weil die Parteien insbesondere im Hinblick auf bestehende Sicherungsrechte ein besonderes Interesse daran haben könnten, dass die Einzelforderungen auch nach der Anerkennung des Saldos fortbestehen.
60 Zum weiten Begriff der Sicherheiten im Sinne des § 356 HGB vgl. Staub/Canaris § 356 Rz. 30 ff.; Oetker/Maultzsch § 356 Rz. 4; Heymann/Horn § 355 Rz. 4 f; MK-Langenbucher § 356 Rz. 6 ff.
61 Heymann/Horn § 356 Rz. 16 ff.
62 Oetker/Maultzsch § 356 Rz. 25; Staub/Canaris § 356 Rz. 68 ff.
63 § 356 HGB lautet:
„(1) Wird eine Forderung, die durch Pfand, Bürgschaft oder in anderer Weise gesichert ist, in die laufende Rechnung aufgenommen, so wird der Gläubiger durch die Anerkennung des Rechnungsabschlusses nicht gehindert, aus der Sicherheit insoweit Befriedigung zu suchen, als sein Guthaben aus der laufenden Rechnung und die Forderung sich decken.
(2) Haftet ein Dritter für eine in die laufende Rechnung aufgenommene Forderung als Gesamtschuldner, so findet auf die Geltendmachung der Forderung gegen ihn die Vorschrift des Absatzes 1 entsprechende Anwendung.“
64 Vgl. Denkschrift zum ersten Entwurf HGB, 1896, S. 196 und Denkschrift zum zweiten Entwurf HGB, 1897, S. 213 ff. sowie die weiteren Nachweise bei Blaurock, JA 1980, S. 691, 696 Fußn. 3-17; dazu Staub/Canaris § 356 Rz. 1 ff. m.w.N.
65 RGZ 56, 19, 24; 132, 218; 164, 212, 215; BGHZ 49, 24, 30; BGHZ 141, 116, 120 = NJW 1999, 1709; Staub/Canaris § 355 Rz. 144; Heymann/Horn § 355 Rz. 24; MK-Langenbucher § 355 Rz. 78; Oetker/Maultzsch § 355 Rz. 59.
66 RGZ 76, 330, 334; BGHZ 26, 142, 150; 50, 277, 283; WM 1991, 495, 497; ebenso Heymann/Horn § 356 Rz. 6 mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die Sicherung nicht dadurch entfällt, dass die gesicherte Forderung infolge der vorhergehenden (verhältnismäßigen) Verrechnung getilgt wurde; gleichfalls der Rspr. zust. Ebenroth/Grundmann § 356 Rz. 3; Baumbach/Hopt § 356 Rz. 2; Koller/Roth/Morck § 156 Rz. 2 f; Röhricht/Graf v. Westphalen/Wagner § 356 Rz. 9; Pfeiffer JA 2006, 108; dagegen die in der Lit. h.M. insbes. Hefermehl, FS Lehmann, 551 f; MK-Langenbucher § 356 Rz. 12; Staub/Canaris § 356 Rz. 8 ff.; ders. Handelsrecht, § 25 Rz. 39 ff.; Blaurock JA 1980, 691, 694; Oetker/Maultzsch § 356 Rz. 16; Karsten Schmidt (Handelsrecht § 21 V 2 b), der jedoch trotz Ablehnung der Novationstheorie einen Forderungsaustausch der gesicherten Forderung mit der abstrakte Saldoforderung annimmt, aber nur insoweit als die gesicherte Forderung nicht durch die vorherige Verrechnung erloschen ist (was nicht recht verständlich ist), aber doch die Auffassung der Rechtsprechung ablehnt, wonach der Sicherungsgeber auf ewig in Höhe des niedrigsten Saldos verhaftet bleibt, auch wenn darin kein Rest der gesicherten Forderung mehr enthalten ist.
67 Handelsrecht § 25 Rz. 39; Staub/Canaris § 355 Rz. 16; das Beispiel wird auch von Karsten Schmidt (HandelsR § 21 V 2 b) übernommen.
68 RGZ 87, 434, 438; BGHZ 117, 135, 141; 141, 116, 120; MK-Langenbucher § 355 Rz. 59.
69 Martin Wolff, Ehrenbergs Handbuch IV 1, 1917, S. 66; Düringer/Hachenburg/Breit § 356 Anm.3; Baumbach/Hopt § 356 Rz. 3; Röhricht/Graf v. Westphalen § 356 Rz. 8; dagegen Hefermehl, FS Lehmann, S. 547, 551; Staub/Canaris § 356 Rz. 8 ff.
70 Heymann/Horn § 356 Rz. 2.
71 Dazu Heymann /Horn § 356 Rz. 19 ff.
72 Handelsrecht, § 27 Rz. 40; Staub/Canaris § 355 Rz. 154 f.
73 RGZ 164, 212, 216; BGH WM 1991, 495; Erman/Westermann, BGB, 12. Aufl. 2008 § 364 Rz. 8; dazu oben Fn. 30.
74 Canaris meint (Handelsrecht, § 25 Rz. 40; Staub/Canaris § 356 Rz. 16 f.), dass die Rechtsprechung auch in solchem Falle den Bürgen noch bis zur Höhe von 10.000 € für die Saldoforderung in Höhe von 12.000 € haften lasse, was aber BGH WM 1995,495 ablehnt, wenn die Parteien einvernehmlich mit einer Zahlung die gesicherte Forderung tilgen wollten.
75 RGZ 76, 330, 334; BGH WM 1964, 881; Heymann/Horn § 356 Rz. 11.
76 RGZ 76, 330, 334; BGHZ 50, 277, 278, 283.
77 RGZ 76, 330, 334; BGHZ 50, 277, 283 f. Der Tagessaldo ist in der Regel ein „Zwischensaldo“, also grundsätzlich nur ein Rechnungsposten, der keinen Anspruch gegen den anderen begründet; nur im gegebenen Beispiel ist der Tagessaldo zugleich ein Periodensaldo, wenn der Gesellschafter zufällig am Ende der Verrechnungsperiode (31. Dezember) ausgeschieden ist. Ausnahmsweise weist die Rechtsprechung jedoch diesem „Zwischensaldo“ am Tage des Ausscheidens eines Gesellschafters die Funktion zu, seine Haftung als Gesamtschuldner in der Höhe auf diese Saldoforderung zu begrenzen.
78 Dagegen zutr. Staub/Canaris § 356 Rz. 42 ff; ders, Handelsrecht § 25 Rz. 44; Karsten Schmidt, Handelsrecht § 21 V 2 c; MK-Langenbucher § 356 Rz. 17 ff.
79 Staub/Canaris § 356 Rz 48 f; MK-Langenbucher § 356 Rz. 16; Heymann/Horn § 356 Rz. 15.
80 Staub/Canaris § 356 Rz 48 f; nur eine schwacher Trost für den Sicherungsgeber dürfte es sein, dass er im Falle seiner Inanspruchnahme von den anderen Sicherungsgebern Regreß verlangen kann, dazu Erman/Ehmann § 426 Rz. 94.